1 Paulus sah den Hohen Rat mit festem Blick an und sprach: "Liebe Brüder, bis heute bin ich stets mit reinem Gewissen vor Gott gewandelt."
2 Bei diesen Worten befahl der Hohepriester Ananias Ein roher, gewalttätiger Mann, dessen Sinnlichkeit sprichwörtlich war, und der zur Erreichung seiner Pläne sogar die Hilfe der Dolchmänner (21,38) nicht verschmähte. den anwesenden Dienern, Paulus auf den Mund zu schlagen.
3 Da sprach Paulus zu ihm: "Gott wird dich schlagen Dich strafen wegen deiner Ungerechtigkeit., du getünchte Wand Die scheinbar fest ist, aber schnell zusammenstürzen wird (Hes. 13,10-15).! Du sitzt da, um mich nach dem Gesetz zu richten, und läßt mich schlagen im Widerspruch mit dem Gesetz?"
4 "Was? Du schmähst den Hohenpriester Gottes?", so fragen ihn die Diener.
5 "Brüder", versetzte Paulus, "ich habe nicht gewußt, daß hier ein Hoherpriester ist; steht doch geschrieben: Gegen einen Oberen deines Volkes sollst du nicht übel reden 2. Mos. 22,27. Paulus will vielleicht sagen: Wie kann ein Mann, der sich so benimmt, Hoherpriester sein wollen! Wäre er wirklich als Hoherpriester aufgetreten, so hätte ich auch anders zu ihm geredet; denn es steht ja geschrieben usw. Andere meinen, Paulus habe wegen Kurzsichtigkeit den Hohenpriester nicht erkannt, oder: Paulus habe das Befehlswort V.2 nur gehört, aber den Sprecher nicht gesehen und deshalb vermutet, ein gewöhnliches Mitglied des Hohen Rates habe die Worte gesprochen.."
6 Da nun Paulus wußte, daß der Hohe Rat teils aus Sadduzäern, teils aus Pharisäern bestand, rief er laut: "Brüder, ich bin ein Pharisäer, und auch meine Ahnen waren Pharisäer. Wegen meiner Hoffnung auf die Totenauferstehung stehe ich hier vor Gericht."
7 Diese Worte erregten einen heftigen Zwist zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern, so daß sich die Versammlung spaltete.
8 - Die Sadduzäer leugnen nämlich die Auferstehung und das Dasein von Engeln und Geistern, während die Pharisäer beides anerkennen. -
9 Es erhob sich ein lautes Geschrei. Endlich standen einige Schriftgelehrte der pharisäischen Partei von ihren Sitzen auf und sagten in scharfem Ton: "Wir finden an diesem Menschen nichts Böses. Hat aber ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet (nun, was läßt sich dann dagegen sagen?)."
10 Da der Oberst fürchtete, Paulus könne von den Versammelten bei dem heftigen Streit zerrissen werden, ließ er eine Abteilung Soldaten von der Burg kommen Auf der Burg Antonia hatte eine römische Kohorte von 1000 Mann ihr Standquartier, so daß der wichtige Tempelplatz stets scharf von den Römern überwacht werden konnte., die Paulus mit Gewalt aus ihrer Mitte führen und in das Lager bringen mußten.
11 Die Nacht darauf trat der Herr zu ihm und sprach: "Sei getrost! Denn wie du in Jerusalem von mir Zeugnis abgelegt hast, so mußt du auch in Rom mein Zeuge sein."
12 Am anderen Morgen taten sich einige Juden zusammen und verpflichteten sich mit schrecklichen Eiden, sie wollten nichts essen und trinken, bis sie Paulus getötet hätten.
13 Ihrer waren mehr als vierzig, die sich so verschworen.
14 Diese Männer gingen zu den Hohenpriestern und Ältesten und sprachen: "Wir haben uns feierlich verschworen, nichts zu genießen, bis wir Paulus getötet haben.
15 Werdet ihr nun zusammen mit dem Hohen Rat bei dem Obersten vorstellig, daß er ihn zu euch führen lasse, als wolltet ihr seinen Fall noch genauer untersuchen! Dann werden wir bereitstehen und ihn töten, noch ehe er hierher kommt."
16 Des Paulus Schwestersohn hörte von diesem Anschlag. Er begab sich in das Lager, trat ein und teilte Paulus alles mit.
17 Da ließ Paulus einen der Hauptleute rufen und sprach zu ihm: "Führe diesen Jüngling zu dem Obersten; denn er hat ihm etwas mitzuteilen."
18 Der brachte ihn zu dem Obersten und meldete: "Der Gefangene Paulus hat mich zu sich rufen lassen und mich gebeten, diesen Jüngling hier zu dir zu bringen, da er dir etwas zu sagen habe."
19 Der Oberst nahm den Jüngling bei der Hand, zog ihn beiseite Damit niemand das Gespräch belauschte. und fragte ihn: "Was hast du mir zu melden?"
20 Er antwortete: "Die Juden sind übereingekommen, dich zu bitten, Paulus morgen vor dem Hohen Rat erscheinen zu lassen, als wollte der seinen Fall noch genauer prüfen.
21 Geh aber nicht darauf ein! Denn über vierzig Männer aus ihrer Mitte wollen ihm auflauern. Sie haben sich feierlich verschworen, nichts zu essen und zu trinken, bis sie ihn ermordet haben. Sie stehen jetzt schon dazu bereit und warten nur noch auf deine Zustimmung."
22 Der Oberst entließ den Jüngling und schärfte ihm ein: "Plaudere es nirgends aus, daß du mir diese Anzeige gemacht hast!"
23 Dann ließ er zwei Hauptleute rufen und befahl ihnen: "Haltet von der dritten Nachtstunde an Von 9 Uhr abends an. Soldaten für einen Marsch nach Cäsarea bereit, und zwar siebzig Reiter und zweihundert Lanzenträger Mit Blaß streiche ich [diakosious] hinter [stratiootas] und [kai] vor [hippeis].!"
24 Auch stellte er Reittiere für Paulus Wahrscheinlich eins für ihn selbst und eins für sein Gepäck., damit er wohlbehalten zu dem Statthalter Felix käme Antonius Felix war ein Freigelassener des kaiserlichen Hauses. Nach Tacitus wurde er im zwölften Jahr des Kaisers Klaudius, d.h. 52 n.Chr. Statthalter von Judäa. Er glaubte, wie Tacitus von ihm sagt, alle Übeltaten ungestraft begehen zu dürfen, und mißbrauchte in der Gesinnung eines Sklaven die ihm verliehene Gewalt durch Ausschweifung und Grausamkeit..
25 Zugleich schrieb er diesem einen Brief folgenden Inhalts:
26 "Klaudius Lysias entbietet dem hochedlen Statthalter Felix seinen Gruß.
27 Der Mann, den ich hier sende, ist von den Juden festgenommen worden; und gerade in dem Augenblick, wo sie ihn töten wollten, erschien ich mit meiner Truppe und entriß ihn ihren Händen, weil ich erfahren hatte, daß er ein römischer Bürger sei Der römische Befehlshaber fälscht hier in schlauer Weise den Tatbestand (vgl. 21,31ff.; 22,55ff.)..
28 Da ich nun genau wissen wollte, was sie ihm Schuld gaben, so ließ ich ihn in ihre Ratsversammlung führen.
29 Da fand ich denn: die Anklage gegen ihn hing mit Fragen ihres Gesetzes zusammen; doch wurde ihm nichts zur Last gelegt, was den Tod oder Gefängnis verdiente.
30 Weil mir nun aber angezeigt worden ist, daß sie einen Anschlag gegen den Mann vorhaben, so habe ich ihn aus ihrer Mitte entfernt und sende ihn dir zu. Ich habe auch seinen Anklägern befohlen, ihre Beschuldigungen gegen ihn bei dir vorzubringen. Lebe wohl!"
31 Die Soldaten führten den Befehl aus: sie nahmen Paulus mit sich und brachten ihn noch in derselben Nacht bis Antipatris Der nordwestlichen Grenzstadt Judäas, etwa 60 km von Jerusalem und kaum 45 km von Cäsarea entfernt..
32 Am nächsten Tag ließen sie die Reiter allein mit ihm weiterziehen Weil nun kein plötzlicher Überfall der Juden mehr zu befürchten war., während sie selbst in das Lager Auf der Burg Antonia in Jerusalem. zurückkehrten.
33 Die Reiter übergaben nach ihrer Ankunft in Cäsarea dem Statthalter das Schreiben und führten ihm auch Paulus vor.
34 Der Statthalter las das Schreiben und fragte Paulus, aus welcher Provinz er stamme Er wollte erfahren, ob Paulus als römischer Bürger wirklich einer kaiserlichen Provinz, nicht einer senatorischen, angehöre und demnach seiner Gerichtsbarkeit unterstehe.. Als er hörte: "Aus Zilizien",
35 sagte er: "Ich will dich genau verhören, wenn auch deine Ankläger erschienen sind." Dann befahl er, Paulus solle in dem Palast des Herodes in Haft gehalten werden Der von Herodes d. Gr. in Cäsarea erbaute Palast diente damals dem römischen Statthalter als Wohnung. Die Haft des Apostels scheint übrigens verhältnismäßig leicht gewesen zu sein..
1 Paulus aber sah unverwandt auf das Synedrium und sprach: Männer, Brüder, ich lebte durch ein ganz gutes Gewissen nach der von Gott vorgeschriebenen Ordnung bis auf diesen Tag.
2 Der Hohepriester Ananias aber befahl den Dabeistehenden, ihn auf den Mund zu schlagen.
3 Paulus sprach alsdann zu ihm: Gott wird dich schlagen, getünchte Wand! Und du sitzest, mich nach dem Gesetz zu richten, und gesetzwidrig befiehlst du, mich zu schlagen?
4 Die Dabeistehenden aber sagten: Den Hohenpriester Gottes schmähst du?
5 Und Paulus sagte: Ich wusste nicht, Brüder, dass es der Hohepriester ist; denn es steht geschrieben: Die Obersten deines Volks sollst du nicht schmähen!
6 Da aber Paulus erkannte, dass der eine Teil Sadduzäer und der andere aber Pharisäer waren, schrie er in das Synedrium: Männer, Brüder, ich bin ein Pharisäer, Sohn eines Pharisäers; wegen der Hoffnung und der Auferstehung der Toten werde ich verurteilt.
7 Da er aber dieses redete, entstand ein Streit der Pharisäer und der Sadduzäer, und die Menge spaltete sich.
8 Denn die Sadduzäer sagen, dass eine Auferstehung nicht ist, noch Engel noch Geist; die Pharisäer bekannten die beiden Dinge.
9 Es entstand aber ein großes Geschrei, und es standen etliche der Schriftgelehrten auf, von dem Teil der Pharisäer, sie stritten heftig und sagten: Wir finden nichts Böses an diesem Menschen! Ob aber ein Geist oder ein Engel in ihn geredet hat?
10 Da aber ein großer Streit entstand, fürchtete sich der Heerführer. Dass Paulus nicht von ihnen in Stücke gerissen wurde, befahl er, dass die Soldatenschar hinabging, ihn aus ihrer Mitte herauszureißen und ihn in das Lager zu führen.
11 In der folgenden Nacht stand der Herr bei ihm und sprach: Sei getrost! Denn wie du für Mich in Jerusalem gezeugt hast, so musst du auch in Rom zeugen!
12 Da es aber Tag geworden war, einen Auflauf veranlassend, verschworen sich die Juden sagend, weder zu essen noch zu trinken, bis dass sie den Paulus getötet hätten.
13 Es waren aber mehr als vierzig, die diesen Schwur veranlassten.
14 Diese kamen zu den Hohenpriestern und den Ältesten und sprachen: Mit einem Schwur haben wir uns selbst verschworen, nichts zu genießen, bis wir den Paulus getötet haben!
15 Nun macht ihr dem Heerführer eine Anzeige samt dem Synedrium, dass man ihn zu euch herabführe, als wolltet ihr das von ihm genauer erkennen; wir aber, ehe er sich naht, wir sind bereit, ihn zu beseitigen.
16 Da aber der Sohn der Schwester des Paulus den Anschlag hörte, kam er und ging hinein in das Lager und berichtete es Paulus.
17 Da aber Paulus einen der Hauptleute zu sich rief, sagte er: Diesen Jüngling führe zu dem Heerführer; denn er hat ihm etwas zu berichten!
18 Der nahm ihn nun freilich mit, führte ihn zu dem Heerführer und sagte: Der Gefangene Paulus ruft mich zu sich, er bat, diesen Jüngling zu dir zu führen, da er dir etwas zu sagen hat!
19 Der Heerführer aber nahm ihn an seiner Hand und zog sich zurück beiseite und fragte: Was ist es, was du mir zu berichten hast?
20 Er sprach aber: Die Juden verabredeten sich, dich zu bitten, dass du morgen den Paulus herabführest in das Synedrium, als wollten sie etwas Genaueres von ihm erforschen.
21 Du nun, vertraue ihnen nicht! Denn mehr als vierzig Männer von ihnen stellen ihm nach, diese haben sich verschworen, weder zu essen noch zu trinken, bis sie ihn beseitigt haben, und nun sind sie bereit, von dir die Zusage abzuwarten.
22 Der Heerführer entließ nun freilich den Jüngling, indem er gebot, keinem auszusagen, dass dieses mir angezeigt ist.
23 Und da er herbeirief ein paar von den Hauptleuten, sprach er: Bereitet zweihundert Soldaten, dass sie bis Cäsarea reisen, und siebzig Reiter und zweihundert Leichtbewaffnete, von der dritten Stunde der Nacht an,
24 Und richtet die Zugtiere zu, damit sie den Paulus darauf setzten und glücklich durchbringen zu dem Landpfleger Felix.
25 einen Brief geschrieben habend, der diesen Inhalt hatte:
26 Klaudius Lysias, dem edelsten Landpfleger, einen Gruß!
27 Diesen Mann, der von den Juden ergriffen wurde und im Begriff stand, von ihnen getötet zu werden, befreite ich, mit dem Kriegsheer nahe tretend, da ich erfuhr, dass er ein Römer ist.
28 Und um die Ursache erfahren zu wollen, weshalb sie ihn anklagen, führte ich ihn hinab in ihr Synedrium.
29 Da fand ich, dass sie ihn anschuldigten wegen Streitfragen ihres Gesetzes, aber auch nicht eine Beschuldigung hatten, des Todes oder der Gefangenschaft würdig.
30 Da mir aber angezeigt wurde, dass auch ein Anschlag gegen den Mann vorhanden sei, habe ich ihn sogleich zu dir gesandt, auch den Anklägern geboten, das, was gegen ihn ist, zu dir zu sagen!
31 Die Soldaten freilich hielten nun den Paulus nach dem ihnen angeordnet war; sie führten ihn während der Nacht nach Antipatris.
32 Am anderen Tage aber ließen sie die Reiter mit ihm ziehen, sie kehrten zurück in das Lager.
33 Da diese nach Cäsarea kamen und dem Landpfleger den Brief überreichten, stellten sie ihm auch den Paulus daneben.
34 Während er aber las und fragte, aus welcher Provinz er sei, und in Erfahrung brachte, dass aus Cilicien,
35 sagte er: Ich werde dich sorgfältig verhören, dann, wenn auch deine Ankläger kommen werden. Da befahl er, ihn in dem Prätorium des Herodes zu bewachen!