1 Dem Sangmeister. Ein Psalm Davids. Diese Überschrift soll wohl nur andeuten, daß der Psalm nach davidischem Muster gedichtet worden ist. / Jahwe, du hast mich durchforscht und erkannt:
2 Du weißt, wann ich sitze und wann ich aufstehe; / Mein Denken und Streben kennst du sogar, / Noch eh es mir klar geworden.
3 Du siehst, wann ich wandre und wann ich mich niederlege, / Mit all meinen Wegen bist du vertraut.
4 Denn es ist kein Wort auf meiner Zunge - / Sieh, o Jahwe, du weißt es ganz.
5 Von allen Seiten hältst du mich umschlossen, / Du hast deine Hand auf mich gelegt. Der Dichter kann Gottes Macht nicht entgehen, und er kann auch nichts tun, wenn ihm Gott nicht die nötige Bewegungsfreiheit dazu gibt.
6 Dies Wissen ist mir zu wunderbar, / Zu hoch: ich kann mich ihm nicht entziehn. Hier ist die Rede von dem Wissen Gottes um den Psalmisten, wie es im vorangehenden (V.1-5) geschildert worden ist. Darauf geht nun der Psalmist von V.7 ab näher ein.
7 Wohin soll ich gehn vor deinem Geist, / Wohin vor deinem Antlitz fliehn?
8 Wenn ich in den Himmel stiege - du wärest da; / Und wollt ich mir im Totenreich ein Lager bereiten - / Dort wärest du auch. Vgl. Amos 9,2.
9 Flög ich auf Flügeln der Morgenröte, / Wollt ich weilen am Ende des Meers Der Sinn von V.9 ist: Könnte ich mit der Schnelligkeit der Morgenröte vom Osten bis zum fernsten Westen eilen (vgl. Jona 1,3).:
10 Auch da würde deine Hand mich leiten / Und deine Rechte mich fassen.
11 Spräche ich: "Dunkel umhülle mich ganz, / Das Licht um mich her: es werde zur Nacht!" -
12 Auch Dunkel ist dir nicht zu dunkel Du siehst doch alles.; / Die Nacht vielmehr - sie leuchtet sogar wie der Tag, / Das Dunkel ist ebenso wie das Licht. Für Gott gibt es keinen Unterschied zwischen Licht und Finsternis.
13 Denn du hast meine Nieren gebildet, / Du hast mich gewoben im Mutterleib. Daß Gott den Menschen völlig und allenthalben kennt ( V.1-12), wird nun aus der Tatsache begründet, daß Gott den Menschen geschaffen hat (V.13-18). Die Nieren werden als der Sitz der zartesten und geheimsten Gefühlsregungen besonders hervorgehoben (nach Franz Delitzsch).
14 Ich danke dir, daß ich so erstaunlich wunderbar entstanden bin: / Wunderbar sind ja auch sonst deine Werke, / Und meine Seele erkennt es wohl.
15 Nicht war dir mein Wesen unbekannt, / Als ich im Verborgnen bereitet ward, / Gewirkt in den Tiefen der Erde. Die Tiefen der Erde sind ein Bild des dunklen Mutterschoßes. Aber dieses Bild ist jedenfalls gewählt im Blick darauf, daß der Leib des ersten Menschen aus der Erde gebildet worden ist. Hiob sagt ( 1,21): "Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib hervorgegangen, und nackt werde ich dahin zurückkehren", nämlich: "in die Erde, die Mutter aller" (Sirach 40,1).
16 Schon meinen Fruchtkeim Gemeint ist das im Mutterleib entstehende Kind in seinen ersten Anfängen. haben deine Augen gesehn; / Und auf dein Buch wurden alle geschrieben: / Die Tage, die mir bestimmt, / Eh noch einer von ihnen erschienen war.
17 Wie sind mir so köstlich, Gott Im Hebräischen steht hier der Gottesname El., deine Gedanken, / Wie ist ihre Zahl so gewaltig! Vgl. Röm. 11,33.
18 Wollt ich sie zählen - sie wären mehr als Sand: / Ich bin erwacht und bin noch bei dir. Der Sinn ist: "Wenn ich auch bei der Betrachtung des unerforschlichen Wesens und Wirkens Gottes ermattet in Schlaf versinke, so bin ich doch beim Erwachen sofort wieder mit solchen Gedanken beschäftigt." Der Dichter ist also immer "bei Gott". Ergriffen von der Herrlichkeit Gottes, spricht er nun von V.19 ab seinen Abscheu aus gegen alle Gottesverächter.
19 Möchtest du doch, Eloah, die Frevler töten! / Und "ihr Blutmenschen Blutmenschen ("Männer der Blutschuld") sind die Gottlosen, die in ihrer Habsucht die Frommen grausam bedrücken und sie sogar zu Tode bringen., weicht von mir!"
20 Sie reden in Arglist von dir, / Mißbrauchen zu Lug deinen Namen - sie, die Feinde! Sie mißbrauchen Gottes Namen durch falschen Schwur.
21 Sollt ich nicht hassen, Jahwe, die dich hassen, / Nicht Abscheu empfinden vor denen, die dir widerstreben?
22 Ich hasse sie mit dem größten Haß: / Sie gelten mir als Feinde. Hier redet der Dichter nicht in fleischlicher Rachgier, sondern im Eifer für Gottes Ehre, womit die Trauer über die noch vorhandene Gottlosigkeit verbunden ist.
23 Erforsche mich, Gott Auch hier steht im Hebräischen, wie in V.17, der Gottesname El., und erkenne mein Herz, / Prüf mich, erkenne meine Gedanken! Der Schluß des Psalms kehrt zu seinem Anfang zurück.
24 Sieh, ob ich neige zu unheilvollem Wandel, / Und leite mich auf den Ewigkeitsweg! Der Ewigkeitsweg ist der Weg der Gerechten, der niemand täuscht, der nicht in Jammer und Unheil, sondern in Freude und Seligkeit endet.
1 Dem Chorleiter. Ein Psalmlied von David. Jahwe, du hast mich erforscht und erkannt.
2 Ob ich sitze oder stehe, du weißt es, / du kennst meine Gedanken von fern.
3 Ob ich ruhe oder gehe, du prüfst es, / mit all meinen Wegen bist du vertraut.
4 Noch eh das Wort auf meine Zunge kommt, / hast du es schon gehört, Jahwe.
5 Von allen Seiten umschließt du mich, / ich bin ganz in deiner Hand.
6 Das ist zu wunderbar, dass ich es begreife, / zu hoch, dass ich es versteh!
7 Wohin kann ich gehen, um dir zu entkommen, / wohin fliehen, dass du mich nicht siehst?
8 Steige ich zum Himmel hinauf, so bist du da, / lege ich mich zu den Toten, da bist du auch.
9 Nehme ich die Flügel des Morgenrots / und lasse mich nieder am Ende des Meeres,
10 auch dort wirst du mich führen, / und deine Hand wird mich fassen.
11 Sage ich: "Die Finsternis soll nach mir schnappen, / das Licht um mich werde Nacht!"
12 Auch Finsternis ist nicht finster vor dir, / die Nacht leuchtet bei dir wie der Tag, / die Finsternis wie das Licht.
13 Gewiss, du selbst hast mein Inneres gebildet, / mich zusammengefügt im Leib meiner Mutter.
14 Ich preise dich, dass ich auf erstaunliche Weise wunderbar geworden bin. / Wunderbar sind deine Werke, / das erkenne ich sehr wohl.
15 Als ich im Verborgenen Gestalt annahm, / kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, / war ich nicht unsichtbar für dich.
16 Du hast mich schon gesehen, als ich noch ein Embryo war. / Und in dein Buch waren sie alle geschrieben, / die Tage, die schon gebildet waren, / noch ehe der erste begann.
17 Wie kostbar, Gott, sind mir deine Gedanken! / Wie unermesslich ist ihre Fülle!
18 Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand. / Am Ende bin ich noch immer bei dir.
19 Würdest du, Gott, doch den Gottlosen töten! / Ja, ihr Blutmenschen, macht euch fort!
20 Sie reden nur mit Hinterlist von dir, / deine Feinde missbrauchen deinen Namen.
21 Sollte ich nicht hassen, die dich hassen, Jahwe, / und verabscheuen, die gegen dich aufstehen?
22 Ich hasse sie mit äußerstem Hass. / Sie sind mir zu Feinden geworden.
23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz! / Prüf mich und erkenne meine Gedanken!
24 Sieh, ob ein gottloser Weg mich verführt, / und leite mich auf dem ewigen Weg!