1 Dem Sangmeister, nach (der Weise von:) "(Wie) Lilien ist das Zeugnis." Der Psalm soll nach der Melodie eines Liedes gesungen werden, das ein Lob des Zeugnisses, d.h. des göttlichen Gesetzes enthält (vgl. Ps. 60,1; 45,1). / Ein Psalm Asafs. Die LXX hat hier in V.1 am Schluß der Überschrift noch die Worte: "Ein Psalm in betreff des Assyrers." Das scheint ein richtiger Fingerzeig für die Entstehungszeit des Psalms zu sein. Er bezieht sich dann wahrscheinlich auf die Zeit, wo das Reich der zehn Stämme (Efraim, Manasse, Josef) von der assyrischen Weltmacht in seinem Bestand bedroht wurde, bis es dann schließlich im Jahre 722 v.Chr. mit der Eroberung Samarias ein Ende nahm. Wenn Benjamin in V.3 neben den beiden Josefstämmen Efraim und Manasse genannt wird, so geschieht das vielleicht deshalb, weil Benjamin ebenso wie Josef dieselbe Mutter (Rahel) hatte und weil Benjamin auch in bezug auf die staatlichen Verhältnisse mehr zu den nördlichen Stämmen als zu Juda gehörte. Die große Bedrängnis, in die das Nordreich durch Assyrien geriet, war auch für die treuen Glieder des Bundesvolkes in dem Reich Juda, die ein lebendiges Bewußtsein von der Einheit Israels und seiner zwölf Stämme hatten, Anlaß genug, sich, wie es in Ps. 80 zum Ausdruck kommt, fürbittend an Gott zu wenden und für die Brüder im Norden des Landes seine Hilfe gegen die feindliche Weltmacht zu erflehen. Daß ein Glied der Sängerfamilie Asafs den Psalm gedichtet hat, dagegen läßt sich schwerlich ein triftiges Bedenken geltend machen.
2 Israels Hirt, horch auf, / Der du Josef Josef bedeutet das ganze Zehnstämmereich. führtest wie Schafe! / Der du thronest auf den Keruben Die Kerube sind nach Hes. 1 die Träger des göttlichen Thronwagens., / Erscheine im Lichtglanz! Der Psalmist bittet, Gott möge sein gleichsam umdunkeltes Antlitz leuchten lassen, Josef zum Segen, den Feinden zum Schrecken.
3 Efraim, Benjamin und Manasse siegreich führend Nach 4. Mos. 2,18-24 sollten Efraim, Manasse und Benjamin auch ungetrennt im Westen der Stiftshütte lagern. Bei der Abfassung des 80. Psalms waren die drei Stämme wohl noch im Land, während, die nördlichen Bewohner vielleicht schon in die assyrische Gefangenschaft geführt waren (2. Kön. 15,29). / Biete auf deine Macht / Und komm uns zu Hilfe!
4 Elohim, stell uns wieder her! In der früheren Macht und Herrlichkeit. / Laß leuchten dein Antlitz, so wird uns geholfen!
5 Jahwe Elohim Zebaôt S. Ps. 59,6., / Wie lange währet dein Zorn / Trotz des Gebetes deines Volks?!
6 Du hast es mit Tränenbrot gespeist / Und es mit Tränen reichlich Wörtlich: "drittelmaßweise" (einfacher: eimerweise). Franz Delitzsch weist darauf hin, daß dieser Ausdruck von einem jüdischen Zahlenspiel auf die 70 Jahre der babylonischen Gefangenschaft gedeutet werde, deren Dauer ein Drittel der ägyptischen betrage (70 Jahre = 1/3 von 210 Jahren, die für den Aufenthalt in Ägypten angenommen werden). getränkt.
7 Unsre Nachbarn streiten sich unsertwegen Wörtlich: "Du setztest uns zur Fehde (zum Zankapfel) unsern Nachbarn." Dies weist darauf hin, daß Assyrien (später auch Babylonien) und Ägypten Israel in ihre Gewalt zu bekommen suchten., / Und unsre Feinde verspotten uns. Nach LXX.
8 Elohim Zebaôt, stell uns wieder her! / Laß leuchten dein Antlitz, so wird uns geholfen!
9 Einen Weinstock Nämlich: das Volk Israel. hast du aus Ägypten geholt Als Gott durch Mose das Volk aus Ägypten führen ließ., / Hast Völker Die Völker Kanaans. vertrieben und ihn gepflanzt. Indem Israel das Land Kanaan in Besitz nahm.
10 Du hast vor ihm Raum geschafft Gott gab dem Volk Israel die Möglichkeit, sich weit in Kanaan auszubreiten.: / So schlug er Wurzeln und füllte das Land. Kanaan wurde von den Israeliten eingenommen.
11 Es deckten sich Berge mit seinem Schatten, / Mit seinen Reben die Zedern Gottes.
12 Seine Ranken sandte er Der Weinstock. bis ans Meer / Und seine Zweige bis an den Strom. In V.11 und 12 werden die Grenzen des Reiches Israel beschrieben, wie sie unter David und Salomo auch tatsächlich bestanden haben: im Süden die "Berge" Palästinas, im Norden der Libanon mit seinen "Zedern", die ein Bild der Schöpfermacht "Gottes" waren, im Westen das Mittelländische "Meer" und im Osten der "Strom", d.h. der Euphrat.
13 Warum hast du denn seinen Zaun Den Zaun, der den Weinstock schützend umgab. zerbrochen, / Daß ihn jeder zerpflückt, der vorübergeht? Alle umliegenden Völker berauben Israel.
14 Der Eber des Waldes frißt ihn ab, / Das Getier des Feldes macht ihn kahl. "Der Eber des Waldes" und "das Getier des Feldes" sind ein Bild der Feinde Israels, und zwar bezieht eine jüdische Auslegung den Eber auf Edom, das Getier des Feldes aber auf die Araber.
15 Elohim Zebaôt, o schau doch wieder vom Himmel und sieh - / Sorge für diesen Weinstock:
16 Für den Sprößling, den deine Rechte gepflanzt, / Für den Sohn, den du dir erzogen! Der "Weinstock", der "Sprößling" und der "Sohn" bedeuten das Volk Israel.
17 Wie ist er Der Weinstock. mit Feuer verbrannt. / Vor deinem Zornblick laß sie Die Feinde Israels. vergehn!
18 Deine Hand sei über dem Mann deiner Rechten, / Dem Menschensohn, den du dir erzogen Der Mann, der zur Rechten Gottes sitzt und als solcher auch an Gottes königlicher Herrschaft teilnehmen soll, und "der Menschensohn" sind das Volk Israel in seinen treuen Gliedern (vgl. Dan. 7,27). Wenn Jesus sich als den Menschensohn bezeichnet und als den Mann, der zur Rechten Gottes sitzt (z.B. Matth. 26,64), so hat das mit seine Wurzel in diesem Psalmwort (s. auch Ps. 110,1).:
19 So werden wir nimmer von dir weichen. / Laß uns am Leben, so rufen wir an deinen Namen.
20 Jahwe Elohim Zebaôt, stell uns wieder her! / Laß leuchten dein Antlitz, so wird uns geholfen!
1 Dem Chorleiter. Nach der Melodie "Lilien". Ein Zeugnis, ein Psalm von Asaf.
2 Höre doch, du Hirte Israels, / der Josef führt wie eine Herde! / Strahle hervor, / der über den Cherubim thront!
3 Erscheine vor Efraďm, Benjamin und Manasse, / entfalte deine gewaltige Macht / und komm uns zu Hilfe!
4 Stell uns wieder her, Gott; / blick uns wieder freundlich an, / dann sind wir gerettet!
5 Jahwe, du allmächtiger Gott, / wie lange bist du noch zornig, / während doch dein Volk zu dir betet?
6 Du hast uns Tränenbrot zu essen gegeben / und becherweise Tränen zu trinken.
7 Du hast uns für unsere Nachbarn zum Zankapfel gemacht, / und unsere Feinde spotten über uns.
8 Stell uns wieder her, allmächtiger Gott; / blick uns wieder freundlich an, / dann sind wir gerettet!
9 Einen Weinstock grubst du in Ägypten aus, / vertriebst ganze Völker und pflanztest ihn ein.
10 Für ihn hast du den Boden freigemacht. / Er schlug Wurzeln und füllte das Land.
11 Die Berge wurden von seinem Schatten bedeckt, / ja selbst die mächtigen Zedern.
12 Seine Ranken streckte er aus bis ans Meer, / bis zum Euphrat seine Triebe.
13 Warum hast du seine Mauern eingerissen, / dass jeder Vorbeikommende ihn plündern kann?
14 Das Wildschwein aus dem Wald verwüstet ihn, / die wilden Tiere fressen ihn kahl.
15 Kehr doch zurück, allmächtiger Gott! / Blick vom Himmel herab und sieh / und nimm dich dieses Weinstocks an!
16 Schütze ihn, den du selber pflanztest, / den Spross, der dir seine Kraft verdankt.
17 Schon haben sie ihn verstümmelt, mit Feuer versengt. / Doch wenn du ihnen drohst, kommen sie um.
18 Leg deine Hand auf den Mann an deiner Seite, / auf den Menschensohn, den du dir hast stark werden lassen.
19 Dann werden wir nie mehr von dir weichen. / Erhalte uns am Leben, dass wir dich anrufen können! Stell uns wieder her, / Jahwe, allmächtiger Gott; / blick uns wieder freundlich an, / dann sind wir gerettet!