1 Nun meine ich: Solange der Erbe noch nicht mündig ist, unterscheidet er sich in keiner Weise von einem Sklaven, obwohl ihm das ganze Gut gehört;
2 sondern er steht bis zu der von seinem Vater bestimmten Zeit unter der Aufsicht von Vormündern und Verwaltern.
3 Ebenso standen wir, solange wir (geistlich) noch nicht mündig waren, unter der Knechtschaft der Geistermächte, die in der Welt Einfluß haben Der hier und Gal. 4,9; Kol. 2,8 gebrauchte Ausdruck Geistermächte der Welt oder wörtlich: "Elemente der Welt" ist sehr dunkel. Die von dem Apostel oder seinen Mitarbeitern Belehrten wußten genau, was Paulus mit diesem Ausdruck meinte. Wir sind nur auf Vermutungen angewiesen. Sind die "Weltelemente" vielleicht die Engel, durch die das Gesetz gegeben worden ist (Gal. 3,19)? Auch Offb. 7,1; 14,18; 16,5 werden die Engel zu den Elementen (Wind, Feuer, Wasser) in Beziehung gesetzt (vgl. auch Ps. 104,4). Im Judentum waren die "Weltelemente" gute Engel, im Heidentum dagegen waren es böse Engel (1. Kor. 10,20). Jedenfalls ist sicher, daß die Unterordnung der Juden unter das mosaische Gesetz und ihre Knechtung unter die Weltelemente dasselbe bedeutet..
4 Als aber die Zeit erfüllt war, da sandte Gott seinen Sohn von sich aus,, der von einem Weib geboren und unter das Gesetz gestellt ward,
5 damit er die, die dem Gesetz unterworfen waren, loskaufe, auf daß wir die Kindschaft empfingen.
6 Weil ihr nun Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen ausgesandt, der da ruft: Abba, Vater Das aramäische Wort Abba (Vater), das die Jünger so oft aus dem Mund des Heilands gehört hatten, ist mit frommer Scheu erhalten worden, damit gleichsam der Klang der Stimme Christi, der uns den allerköstlichsten Namen Gottes, den unergründlichen Vaternamen, kundgetan und auszusprechen berechtigt hat, zur Tröstung und Freude aller Gotteskinder durch alle Zeiten töne (nach Windischmann).!
7 Darum bist du nicht mehr ein Sklave, sondern ein Sohn. Bist du aber ein Sohn, so bist du auch ein Erbe durch Gott.
8 Damals freilich, als ihr Gott noch nicht kanntet, habt ihr denen, die in Wirklichkeit nicht Götter sind, als Knechte gedient.
9 Doch wie könnt ihr nun, nachdem ihr Gott erkannt habt oder, richtiger gesagt, von Gott (als sein Eigentum) erkannt worden seid, rückwärtsgehen, indem ihr euch den schwachen und armen Geistermächten zuwendet und Neigung zeigt, euch durch ihren Dienst in eine zweite, neue Knechtschaft zu begeben Die Annahme des Gesetzes wäre für die Galater ein großer Rückschritt gewesen. Die Geistermächte oder Engel, die das mosaische Gesetz gegeben haben. werden schwach und arm genannt. Sie waren schwach, weil sie dem Menschen kein neues Leben geben konnten, und sie waren arm im Vergleich mit dem Gnadenreichtum, den Christus schenkt. Als Heiden hatten die galatischen Christen bösen Engeln als Knechte gedient. Durch den Übertritt zu dem gesetzlichen Judenchristentum hätten sie sich in eine zweite, neue Knechtschaft begeben, nämlich in die Knechtschaft der Gesetzesengel, die aber zu den guten Engeln zählten. Eine Knechtschaft, wenn auch ganz verschiedener Art, war beides, das Heidentum wie das Judentum.?
10 Ihr beobachtet ja schon Feiertage und Neumonde, Festzeiten und Sabbatjahre!
11 Ich fürchte, ich habe mich vergeblich mit euch abgemüht.
12 Werdet doch, wie ich bin; denn auch ich bin geworden, wie ihr früher wart - ich bitte euch, Brüder Paulus ermahnt in diesem Vers die Galater, so frei von aller Gesetzesknechtschaft zu werden, wie er es ist. Denn er ist auch bei seiner Arbeit in Galatien ihnen, den Heiden, ein Heide geworden (vgl. 1. Kor. 9,21).! Ihr habt mir ja kein Leid getan.
13 Ihr wißt: Als ich euch das erste Mal die Heilsbotschaft verkündigte, wurde ich durch Krankheit veranlaßt, bei euch zu verweilen.
14 Aber trotz meines körperlichen Leidens Ich streiche [hymoon] hinter [ton peirasmon]. habt ihr mich nicht verachtet und verabscheut Ist hier vielleicht an das Leiden zu denken, wovon der Apostel 2. Kor. 12,7 spricht?; sondern wie einen Engel Gottes, ja wie Christus Jesus selbst habt ihr mich aufgenommen.
15 Wo ist nun eure frühere Begeisterung geblieben? Ich muß euch das Zeugnis geben: Ihr hättet euch damals wo möglich die Augen ausgerissen und sie mir gegeben.
16 Bin ich denn jetzt euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit vorgehalten habe?
17 Der Eifer, womit sie Die judaistischen Irrlehrer. um eure Gunst werben, ist nicht lauter; sondern sie möchten euch von mir losreißen, damit ihr dann um ihre Gunst werbt.
18 Schön ist's freilich, im Dienst einer guten Sache eifrig umworben zu werden, und zwar allezeit und nicht nur dann, wenn ich bei euch bin Haben die Irrlehrer in unlauterer Absicht um die Galater geeifert, so tut es Paulus jetzt in seinem Brief ebenso wie früher, als er bei ihnen war, im Dienst einer guten Sache, nämlich im Dienst der wahren Heilsbotschaft..
19 Meine Kinder, die ich noch einmal mit Schmerzen gebäre, bis Christus in euch Gestalt gewinnt,
20 wie gern möchte ich jetzt bei euch sein und in anderem Ton zu euch reden! Denn im Augenblick weiß ich mir keinen Rat mit euch So schön es auch ist, brieflich um sie zu werben, noch viel lieber möchte Paulus gerade in diesem Augenblick bei den Galatern sein, um vielleicht unter Tränen der Liebe mündlich das besser zum Ausdruck zu bringen, was er ihnen jetzt nur unvollkommen auf schriftlichem Weg sagen kann. - Ich ziehe V.19 zu 20 und streiche [de] hinter [eethelon] V.20..
21 Ihr, die ihr unter dem Gesetz stehen wollt, sagt mir doch: Hört ihr denn das Gesetz nicht vorlesen Gemeint ist die Vorlesung der Bücher des Alten Testaments in den gottesdienstlichen Versammlungen.?
22 Da steht ja geschrieben: Abraham hatte zwei Söhne, einen von der Sklavin und einen von der Freien 1. Mos. 16,15; 21,2..
23 Aber der Sohn der Sklavin ist auf dem natürlichen Weg erzeugt worden, der Sohn der Freien dagegen kraft der (göttlichen) Verheißung.
24 Das hat eine tiefere Bedeutung. Die beiden Frauen sind ein Bild von zwei (göttlichen) Verordnungen. Die eine (Verordnung) stammt von dem Berg Sinai; sie bringt Knechtschaft. Darauf weist Hagar hin.
25 Denn das Wort Hagar bedeutet bei den Arabern den Berg Sinai Weymouth bemerkt, daß die Araber den Berg Sinai noch heute hajar nennen.. Und Hagar entspricht dem jetzigen Jerusalem Dem Volk des Alten Bundes.. Das ist ja mit seinen Kindern noch immer in Knechtschaft Weil es unter dem Joch des Gesetzes steht..
26 Aber das obere Jerusalem Vgl. Hebr. 12,22 (das himmlische Jerusalem); Offb. 3,12; 21,2.9ff. ist frei Wie Sara., und dies (Jerusalem) ist unsere Mutter.
27 Denn es steht geschrieben Jes. 54,1.: Freue dich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst! Brich aus in Jubelruf, die du keine Wehen hast! Denn die Vereinsamte hat viel mehr Kinder als die Vermählte D.h.: die Gemeinde des Neuen Bundes wird zahlreicher sein als die des Alten..
28 Ihr, liebe Brüder, seid nun ähnlich wie Isaak Kinder kraft (göttlicher) Verheißung.
29 Doch wie damals der nach dem Fleisch Erzeugte Ismael. den nach dem Geist Erzeugten Isaak. verfolgte Nach 1. Mos. 21,9 hat Ismael nur gespottet; aber die jüdische Überlieferung redet auch davon, daß Ismael den Isaak verfolgt habe (Bereschit rabba 53,15)., ebenso ist es auch jetzt Auch jetzt verfolgt ein Ismael (das gesetzeseifrige, fleischlich gesinnte Judentum und Judenchristentum) einen Isaak (die gesetzesfreie, geistlich gesinnte Gemeinde Christi)..
30 Aber was sagt die Schrift? Verstoße die Sklavin und ihren Sohn; denn der Sklavin Sohn soll nicht erben mit dem Sohn der Freien 1. Mos. 21,10.!
31 Also, Brüder, sind wir nicht Kinder der Sklavin, sondern der Freien.
1 Ich sage (oder: meine) aber: Solange der Erbe noch unmündig ist, besteht zwischen ihm und einem Knecht (oder: Sklaven) kein Unterschied, wenn er auch der Herr von allem (oder: Besitzer aller Güter) ist;
2 er steht vielmehr unter Vormündern und Vermögensverwaltern bis zu dem vom Vater festgesetzten Zeitpunkt.
3 So standen auch wir, solange wir (geistlich) unmündig waren, als Sklaven unter der Herrschaft der Elemente (vgl. Kol 2,8) der Welt.
4 Als aber die Erfüllung der Zeit (d.h. der festgesetzte Zeitpunkt) gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, der von einem Weibe geboren und dem Gesetz unterworfen wurde;
5 er sollte die unter dem Gesetz Stehenden loskaufen, damit wir die Einsetzung in die Sohnschaft (= die Kindschaftsstellung) erlangten.
6 Weil ihr jetzt aber Söhne (oder: Kinder) seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: »Abba, (lieber) Vater!« (vgl. Röm 8,15)
7 Mithin bist du kein Knecht mehr, sondern ein Sohn; bist du aber ein Sohn, so bist du auch ein Erbe durch Gott.
8 Damals freilich, als ihr Gott noch nicht kanntet, habt ihr solchen Göttern gedient, die ihrem Wesen nach gar keine Götter sind.
9 Da ihr jetzt aber Gott erkannt habt oder vielmehr (= richtiger gesagt) von Gott erkannt worden seid: wie könnt ihr euch da nur wieder den erbärmlichen und armseligen Elementen (V.3) zuwenden und Lust haben, ihnen noch einmal von neuem als Knechte zu dienen?!
10 Ihr beobachtet ja Tage und Monate (oder: Neumonde), Festzeiten und Jahre!
11 Ich bin um euch besorgt, daß ich vergeblich an euch gearbeitet haben möchte.
12 Werdet doch so, wie ich (bin)! Denn auch ich (bin so gesetzesfrei geworden), wie ihr (ursprünglich waret; vgl. 1.Kor 9,21), liebe Brüder, ich bitte euch! Ihr habt mir (ja früher) nichts zuleide getan;
13 ihr wißt vielmehr, daß ich euch das erste Mal (= bei meinem ersten Besuche), veranlaßt durch leibliche Schwäche (oder: Krankheit), die Heilsbotschaft verkündigt habe.
14 Damals habt ihr mich trotz des Anstoßes, den mein leiblicher Zustand bei euch erregen mußte, nicht mit Verachtung behandelt und nicht mit Abscheu zurückgewiesen, sondern mich wie einen Engel Gottes, ja wie Christus Jesus (selber) aufgenommen.
15 Wo ist nun eure (damalige) glückselige Freude geblieben? Ich muß euch ja das Zeugnis ausstellen, daß ihr euch damals, wenn es möglich gewesen wäre, die Augen ausgerissen und sie mir geschenkt hättet.
16 Sonach bin ich jetzt wohl dadurch euer Feind geworden, daß ich euch die Wahrheit vorhalte (oder: verkünde)?
17 O sie bewerben sich nicht in guter Absicht eifrig um eure Gunst, nein, sie möchten euch gern (von mir) ausschließen, damit ihr euch dann eifrig um ihre Gunst bemüht.
18 Schön ist es ja, in guter Sache Gegenstand eifriger Umwerbung zu sein, und zwar allezeit und nicht nur während meiner Anwesenheit bei euch.
19 Meine lieben Kinder, um die ich jetzt wiederum Geburtsschmerzen leide, bis Christus (endlich) in euch Gestalt gewinnt:
20 ich wollte, ich wäre gerade jetzt bei euch und könnte in anderem Ton zu euch reden; denn ich weiß mir euretwegen keinen Rat!
21 Sagt mir doch, die ihr gern unter dem Gesetz stehen möchtet: hört (oder: versteht) ihr denn das Gesetz nicht?
22 Es steht ja doch geschrieben (1.Mose 21,2.9), daß Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd (= Sklavin) und einen von der Freien.
23 Jedoch jener von der Magd war nur sein fleischmäßig (= infolge leiblicher Zeugung) erzeugter Sohn, dieser von der Freien aber war ihm aufgrund der (göttlichen) Verheißung geboren.
24 Das ist bildlich gesprochen (oder: zu verstehen); denn diese (beiden Frauen) stellen zwei Bündnisse dar, das eine vom Berge Sinai, das zur Knechtschaft gebiert (d.h. die ihm Angehörigen in Knechtschaft versetzt): das ist die Hagar;
25 das Wort Hagar (= Felsklippe) bedeutet nämlich den Berg Sinai in Arabien, und sie (d.h. die Hagar) entspricht dem heutigen Jerusalem; denn dieses befindet sich (auch) in Knechtschaft samt seinen Kindern.
26 Das Jerusalem droben dagegen ist eine Freie, und dies (Jerusalem) ist unsere Mutter;
27 denn es steht geschrieben (Jes 54,1): »Freue dich, du Kinderlose, die du nicht Mutter wirst! Brich in Jubel aus und frohlocke, die du keine Geburtsschmerzen zu leiden hast! Denn die Alleinstehende hat zahlreiche Kinder, mehr als die Verehelichte.«
28 Ihr aber, liebe Brüder, seid nach Isaaks Art Kinder der Verheißung.
29 Wie jedoch damals der nach dem Fleisch erzeugte Sohn den nach dem Geist (= nach göttlicher Verheißung) erzeugten verfolgt hat, so ist es auch jetzt der Fall.
30 Aber was sagt die Schrift dazu? »Verstoße die Magd und ihren Sohn! Denn der Sohn der Magd soll nicht das gleiche Erbrecht mit dem Sohn der Freien haben.« (1.Mose 21,10)
31 Darum, liebe Brüder: Wir sind nicht Kinder einer Magd (= Sklavin), sondern der Freien!