1 Dann wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger.
2 "Moses Lehrstuhl", so begann er, "haben jetzt die Schriftgelehrten und die Pharisäer besetzt Sie gebärden sich eigenmächtig als Lehrer und Gesetzgeber des Volkes. Ihre Lehre kann nun zwar dem Volk immerhin noch Segen bringen. Aber ihre Werke stimmen nicht mit ihren Worten..
3 Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet! Nach ihren Werken aber sollt ihr euch nicht richten. Denn sie lehren anders, als sie tun.
4 Sie binden Bündel schwerer Lasten Von Menschensatzungen. zusammen und legen sie den Leuten auf die Schulter; sie selbst aber haben keine Lust, diese Lasten auch nur mit einer Fingerspitze zu berühren Geschweige denn sie sich auf die Schulter zu laden..
5 Bei all ihrem Tun wollen sie die öffentliche Aufmerksamkeit erregen: Sie tragen breite Gebetsriemen Durch diese Riemen wurden die Gebetskapseln mit den auf Pergament geschriebenen Gesetzesstellen 2. Mos. 13,3-16; 5. Mos. 6,4-9; 11,13-21 zur Zeit des Gebets, namentlich morgens, an der Stirn und an dem linken Arm befestigt. und lange Mantelquasten Vgl. 9,20..
6 Beim Mahl sitzen sie gern obenan, und in der gottesdienstlichen Versammlung wollen sie die Ehrenplätze haben;
7 auf den Straßen soll man sie voll Ehrfurcht grüßen, und sie lassen sich den Namen 'Meister' geben.
8 Ihr aber sollt euch nicht so Wörtlich: Rabbi, d.h. mein Meister. nennen lassen; denn Einer ist euer Meister, und ihr seid alle Brüder.
9 Ihr sollt auch niemand auf Erden euern 'Vater' nennen Bedeutende Lehrer der Vorzeit erhielten den Ehrennamen "Vater".; denn Einer ist euer Vater: der Vater im Himmel.
10 Auch sollt ihr euch nicht 'Lehrer' nennen lassen; denn Einer ist euer Lehrer: der Messias.
11 Der Größte unter euch soll allen anderen dienen Wer wirklich als Lehrer Großes leistet, soll seine Gaben voll Demut in den Dienst aller stellen..
12 Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden Luk. 14,11; 18,14. - Auf die Mahnung an die Jünger in V.8-12 folgt nun ein siebenfaches Wehe über die Schriftgelehrten und Pharisäer..
13 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr schließt die Tür des Himmelreiches vor den Leuten zu Das taten sie durch ihre Feindschaft und ihren Widerspruch gegen Jesus.. Ihr selbst geht nicht hinein und laßt auch die nicht ein, die es gern wollen Hier folgen in einigen Handschriften als V.14 die Worte: "Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschlingt der Witwen Häuser und haltet zum Schein lange Gebete. Deshalb sollt ihr ein um so strengeres Gericht erfahren." Dieser Vers fehlt jedoch in den besten Handschriften; er stammt offenbar aus Mark. 12,40; Luk. 20,47..
15 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Jünger zu gewinnen Nämlich: für das Judentum. - Die Pharisäer trieben also Heidenmission.. Und ist euch das gelungen, so macht ihr ihn zu einem Kind der Hölle, das zweimal ärger ist als ihr Die Neubekehrten überboten noch die Verkehrtheiten und üblen Eigenschaften ihrer Lehrmeister.!
16 Weh euch, ihr blinden Führer! Ihr sagt: Wer bei dem Tempel schwört, des Eid gilt nichts. Wer aber bei dem Gold des Tempels Das heißt wohl: bei dem Tempelschatz. schwört, der ist gebunden Der ist verpflichtet, seinen Eid zu halten. Die Pharisäer machten die Verbindlichkeit der Eide von ganz nebensächlichen Schwurworten abhängig und beförderten dadurch die Gewissenlosigkeit..
17 Ihr Toren und ihr Blinden! Was steht denn höher: das Gold oder der Tempel, der doch dem Gold erst die Weihe gibt?
18 Wer bei dem Altar schwört - so sagt ihr ferner -, des Eid gilt nichts. Wer aber bei der Opfergabe auf dem Altar schwört, der ist gebunden.
19 Ihr Blinden! Was steht denn höher: die Opfergabe oder der Altar, der doch der Opfergabe erst die Weihe gibt?
20 Wer also bei dem Altar schwört, der schwört bei ihm und allem, was darauf ist.
21 Und wer beim Tempel schwört, der schwört bei ihm und dem, der darinnen wohnt.
22 Und wer beim Himmel schwört, der schwört bei Gottes Thron und dem, der darauf sitzt.
23 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Von Minze, Dill und Kümmel gebt ihr Zehnten, was aber im Gesetz viel höher steht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue - das laßt ihr außer acht. Dies solltet ihr vor allem üben, doch jenes auch nicht unterlassen.
24 Ihr blinden Führer, die Mücke schafft ihr weg, und das Kamel verschluckt ihr "Eine Mücke, die in den Becher gefallen ist, entfernt ihr ängstlich beim Durchseihen des Getränks, aber ein Kamel trinkt ihr ganz unbekümmert mit hinunter." - Jesus will die Pünktlichkeit der Pharisäer in der Erfüllung der nebensächlichen Gesetzesvorschriften an sich nicht tadeln; er macht ihnen nur zum Vorwurf, daß sie über dem Kleinen das Große, über dem Unwesentlichen die Hauptsache vergessen.!
25 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Die Becher und die Schüsseln haltet ihr von außen rein, inwendig aber sind sie voller Raub und Gier D.h.: inwendig sind sie voller Speisen und Getränke, die ihr durch Raub und Gier erworben habt. Ihr fragt nicht danach, ob ihr das, was ihr verzehrt, auch rechtmäßig erworben habt.!
26 Du blinder Pharisäer, erst reinige den Becher drinnen D.h.: laß ab von Raub und Gier. Die innere Reinheit ist die Hauptsache., dann ist sein Äußeres schon von selber rein!
27 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gleicht getünchten Gräbern Durch das Tünchen mit Kalk sollten die Gräber ein freundliches, sauberes Aussehen bekommen. Außerdem wurden vor dem Passahfest die Gräber durch Übertünchen kenntlich gemacht, damit sich niemand durch ihre Berührung verunreinigte.: Die sehen von außen freundlich aus, im Inneren aber sind sie voller Totenbeine und Verwesung.
28 So seht auch ihr von außen gerecht und ehrbar aus, inwendig aber seid ihr voller Heuchelei und Frevel Sie sind scheinheilig..
29 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr pflegt die Gräber der Propheten und schmückt die Grabdenkmäler der Gerechten,
30 und dabei rühmt ihr euch: 'Wenn wir unserer Väter Zeit gelebt, wir hätten nicht mit ihnen der Propheten Blut vergossen.'
31 Damit bezeugt ihr aber selbst, daß ihr Ebenso wie die vorangehenden Geschlechter. - Söhne der Prophetenmörder sind sie nicht nur nach ihrer Abstammung, sondern auch nach ihrer Sinnesart. Denn sie sind von tödlichem Haß gegen Jesus, den größten Propheten, erfüllt. die Söhne der Prophetenmörder seid!
32 So macht denn ihr das Maß der Sünden eurer Väter voll Durch Jesu Kreuzigung.!
33 Ihr Schlangen und ihr Natternbrut Vgl. 3,7., wie wollt ihr nur der Hölle Strafgericht entrinnen?
34 Darum seht: ich sende euch Propheten, Weise, Schriftgelehrte Hier sind die von Jesus nach seiner Himmelfahrt an Israel gesandten Diener des Neuen Bundes gemeint.. Die einen werdet ihr in euern Versammlungshäusern geißeln und sie verfolgen von einer Stadt zur anderen.
35 So wird sich an euch rächen all das unschuldige Blut, das da vergossen ist auf Erden: Vom Blut des gerechten Abel an bis auf Sacharjas Blut, des Sohnes Berechjas Es ist nicht sicher, welcher Sacharja hier gemeint ist. Man denkt an den in 2. Chron. 24,19-22 genannten Sacharja. Aber dieser war ein Sohn des Priesters Jojada; es müßte hier also eine Verwechslung vorliegen mit dem bekannten Propheten Sacharja, der ein Sohn Berechjas war (Sach. 1,1). Abels Tod wird berichtet in dem ersten Buch der alttestamentlichen Schriften (1. Mos. 4,8), Sacharjas Tod in dem letzten; denn 2. Chron. ist das letzte und jüngste Buch der hebräischen Bibel. - Eine alte christliche Überlieferung meint, Jesus rede in V.35 von dem Vater Johannes des Täufers, der ja auch Sacharja oder (griechisch) Zacharias hieß (Luk. 1,5)., den ihr gemordet zwischen Tempel und Altar D.h. zwischen dem eigentlichen Tempelhaus und dem Brandopferaltar..
36 Wahrlich, ich sage euch: Die Strafe für das alles wird kommen über dies Geschlecht Die Strafe ist hereingebrochen im Jahr 70 n. Chr. durch die Zerstörung Jerusalems.!
37 Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst Gottes Boten! Wie oft Dieser Ausdruck setzt einen mehrmaligen Aufenthalt Jesu in Jerusalem voraus, wenn auch Matthäus in seinem Evangelium nur den letzten Aufenthalt erwähnt. habe ich deine Kinder um mich sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt Um sie vor einer drohenden Gefahr zu schützen.! Doch ihr Die Rede wendet sich von der Stadt an die Einwohner. habt nicht gewollt!
38 Darum soll euch euer Haus Der Tempel. verödet liegen Ps. 69,26; Jer. 22,5; 1. Kön. 9,7-8.!
39 Denn ich sage euch: Ihr sollt mich ferner nicht mehr sehen, bis ihr einst ruft: 'Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn 21,9; Ps. 118,26. Jesus wird jetzt vor den Augen seines unbußfertigen Volkes verschwinden. Das ist geschehen durch seinen Tod und sein Begräbnis. Israel soll ihn erst nach langer Zeit wiedersehen, und zwar dann, wenn es sich dereinst bei seiner Wiederkunft zu ihm bekehrt. Dann wird er noch ganz anders als bei seinem Einzug (21,1ff.) von dem ganzen Volk als Messias anerkannt und begrüßt werden. Die Weissagung von der Zerstörung Jerusalems in V.38 bildet den Übergang zu den Weissagungen in Kap. 24.!'"
1 Damals richtete Jesus an das Volk und an seine Jünger folgende Worte:
2 »Auf den Lehrstuhl Moses haben sich die Schriftgelehrten und die Pharisäer gesetzt.
3 Alles nun, was sie euch sagen (= zu tun gebieten), das tut und befolgt, aber nach ihren Werken (= ihrem Tun) richtet euch nicht; denn sie sagen es nur, tun es aber nicht.
4 Sie binden schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, sie selbst aber wollen sie mit keinem Finger anrühren.
5 Alle ihre Werke tun sie in der Absicht, von den Leuten gesehen zu werden; denn sie machen ihre Gebetsriemen breit und ihre Mantelquasten (4.Mose 15,38-39) lang;
6 sie lieben den ersten Platz bei den Gastmählern und die Ehrensitze in den Synagogen;
7 sie wollen auf den Märkten (oder: öffentlichen Plätzen) gegrüßt sein und lassen sich von den Leuten gern ›Rabbi‹ (d.h. Meister, Lehrer) nennen.
8 Ihr aber sollt euch nicht ›Meister‹ nennen lassen; denn einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.
9 Und niemand auf Erden sollt ihr euren ›Vater‹ nennen; denn einer ist euer Vater, der im Himmel.
10 Auch ›Lehrer (oder: Führer)‹ sollt ihr euch nicht nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer (oder: Führer), nämlich Christus.
11 Der Größte unter euch soll euer Diener sein.
12 Wer sich aber selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.« (Lk 14,11; 18,14)
13 »Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler (= Scheinheiligen)! Denn ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr selbst geht ja nicht hinein, laßt aber auch die nicht hinein, welche hineingehen wollen.
14 [Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr bringt die Häuser der Witwen gierig an euch und verrichtet zum Schein lange Gebete. Darum werdet ihr ein um so strengeres Gericht erfahren.]
15 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr durchreist Land und Meer, um einen einzigen Glaubensgenossen zu gewinnen; und wenn er es geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, das doppelt so schlimm ist als ihr selbst.
16 Wehe euch, ihr blinden Führer, die ihr sagt (= lehrt): ›Wenn einer beim Tempel schwört, so hat das nichts zu bedeuten; wer aber beim Gold des Tempels (oder: am Tempel) schwört, der ist gebunden.‹
17 Ihr Toren und Blinde! Was steht denn höher: das Gold (= der Goldschmuck) oder der Tempel, der das Gold erst heilig gemacht hat?
18 Ferner (sagt ihr): ›Wenn einer beim Altar schwört, so hat das nichts zu bedeuten; wer aber bei der Opfergabe schwört, die auf dem Altar liegt, der ist gebunden.‹
19 Ihr Blinden! Was steht denn höher, die Opfergabe oder der Altar, der die Gabe erst heilig macht?
20 Wer also beim Altar schwört, der schwört bei ihm und bei allem, was auf ihm liegt;
21 und wer beim Tempel schwört, der schwört bei ihm und bei dem, der in ihm wohnt;
22 und wer beim Himmel schwört, der schwört bei Gottes Thron und bei dem, der auf ihm sitzt.
23 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr entrichtet den Zehnten von Minze, von Anis und Kümmel, laßt aber das Schwierigere (oder: Wichtigere) im Gesetz außer acht, nämlich das Gericht (oder: die Rechtspflege), die Barmherzigkeit und die Treue (oder: den Glauben). Diese sollte man üben und jenes nicht außer acht lassen.
24 Ihr blinden Führer, die ihr die Mücke seihet (d.h. durch Seihen der Getränke entfernt), aber das Kamel hinuntertrinkt!
25 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr haltet die Außenseite des Bechers und der Schüssel rein, inwendig aber sind sie gefüllt mit Raub und Unmäßigkeit (d.h. mit dem, was ihr durch Raub an euch gebracht habt und mit Unmäßigkeit genießt).
26 Du blinder Pharisäer! Mache zuerst das rein, was den Inhalt des Bechers bildet, dann wird auch seine Außenseite rein werden (können).
27 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr gleicht frischgetünchten Gräbern, die von außen schön aussehen, im Innern aber voll von Totengebeinen und lauter Verwesung sind.
28 Ebenso zeigt auch ihr euch den Menschen von außen gerecht, inwendig aber seid ihr voll von Heuchelei und Gesetzlosigkeit (oder: Gesetzesbruch).
29 Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr baut die Grabstätten der Propheten aus und schmückt die Grabdenkmäler der Gerechten
30 und sagt: ›Hätten wir zur Zeit unserer Väter gelebt, wir hätten uns nicht mit ihnen am Blut der Propheten schuldig gemacht!‹
31 Damit stellt ihr euch selbst das Zeugnis aus, daß ihr die Söhne (= Nachkommen) der Prophetenmörder seid.
32 So macht denn ihr das Maß (der Schuld) eurer Väter voll!
33 Ihr Schlangen, ihr Otternbrut! Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen?!«
34 »Deshalb seht: ich sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte (oder: Lehrer); von diesen werdet ihr die einen töten und kreuzigen, die anderen in euren Synagogen geißeln und von Stadt zu Stadt verfolgen,
35 damit über euch alles gerechte (= unschuldige) Blut komme, das auf der Erde vergossen worden ist, vom Blut des gerechten Abel an (1.Mose 4,8) bis zum Blut Sacharjas (= Zacharias), des Sohnes Berechjas, den ihr zwischen dem Tempelhause und dem Brandopferaltar ermordet habt (vgl. 2.Chr 24,19-22).
36 Wahrlich ich sage euch: (Die Strafe für) dies alles wird über dieses Geschlecht kommen!«
37 »Jerusalem, Jerusalem, das du die Propheten tötest und die zu dir Gesandten steinigst! Wie oft habe ich deine Kinder um mich sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt; doch ihr habt nicht gewollt.
38 Nunmehr wird euer Haus euch verödet überlassen (Jer 22,5);
39 denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht (mehr) sehen, bis ihr (einst bei meiner Wiederkunft) ausruft: ›Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!‹« (Ps 118,26)