1 Als er die Volksmenge sah, ging er auf die Bergeshöhe Nördlich vom See Genezaret.. Dort setzte er sich nieder Der jüdische Lehrer saß bei seinem Vortrage (Matth. 13,1.2; Luk. 4,20; Apg. 16,13)., und seine Jünger Vgl. 4,25. traten zu ihm.
2 Da tat er seinen Mund auf und lehrte sie also:
3 "Selig sind D.h. glücklich zu preisen sind. die Armen im Geist Arm im Geist (wörtl. Bettler am Geist) sind alle, die einen zerschlagenen Geist und ein zerbrochenes Herz haben (Jes. 57,15; 61,1; 66,2; Ps. 51,19), die im Bewußtsein ihrer geistlichen Leere, in der Überzeugung, daß sie in ihrem Geiste, d.h. in ihrem inneren Menschen, arm sind an allem, was Gott gefallen könnte, und durchdrungen von dem Gefühle ihrer Unwürdigkeit und Sündenschuld als Bettler vor Gottes Angesicht stehen. Arm im Geist waren der Zöllner (Luk. 18,13) und der Apostel Paulus (1. Kor. 15,9; Eph. 3,8; 1. Tim. 1,15). Diese Armut im Geiste ist der Beweis einer aufrichtigen Sinnesänderung (3,2; 4,17).! Denn das Königreich der Himmel ist ihr Teil.
4 Selig sind die Trauernden Jes. 61,2; Ps. 126,5. Es ist hier zu denken an die Trauer über die Sünde und ihre Macht und Folgen.! Denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die stillen Dulder! Denn ihr Erbteil soll die Erde sein Ps. 37,11; Offb. 5,10..
6 Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit! Denn sie sollen gesättigt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen! Denn ihnen soll Erbarmen widerfahren.
8 Selig sind, die reines Herzens sind Ps. 24,4.! Denn sie sollen Gott schauen.
9 Selig sind die Friedenstifter! Denn sie sollen Söhne Gottes heißen.
10 Selig sind, die um Gerechtigkeit willen Verfolgung gelitten haben 1. Petr. 3,14; 4,14.! Denn das Königreich der Himmel ist ihr Teil Das Königreich der Himmel, von dem in V.3 und 10 die Rede ist, schließt die V.4-9 genannten Verheißungen in sich..
11 Selig seid ihr, wenn man euch schmähet und verfolgt und um meinetwillen lügnerisch allerlei Böses von euch redet.
12 Freuet euch darüber und jubelt, denn euer Lohn dafür ist groß im Himmel! Ebenso hat man ja die Propheten verfolgt, die vor euch lebten.
13 Ihr seid das Salz der Erde Die Erde ist die Menschheit. Wie das Salz die Speisen vor Fäulnis bewahrt, so sollen Jesu Jünger die Menschen vor geistlicher Verderbnis schützen.. Wird aber das Salz fade, womit soll man ihm die Salzkraft wiedergeben? Es hat dann weiter keinen Wert; man muß es wegwerfen und von den Leuten zertreten lassen "Reines Kochsalz pflegt nicht schal zu werden; aber unreines Salz, wie es, aus dem Toten Meer gewonnen, in Palästina gebraucht wird, kann durch längeres Lagern am Strande oder in feuchten und dumpfen Räumen leicht seine Würzkraft verlieren." (A. Vezin: "Die Freudenbotschaft" usw., S. 331)..
14 Ihr seid das Licht der Welt Phil. 2,15.. Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben Links am Ufer des Sees Genezaret lag auf steiler Höhe die Freistadt Hippos als "eine Stadt auf dem Berge"..
15 Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie dann unter einen Scheffel Der Scheffel war ein in jedem Hause vorrätiges, zum Messen des Getreides dienendes Gefäß, womit die Öllampe ganz verdeckt werden konnte.; sondern man stellt sie auf den Leuchter Einen Ständer, der meist aus Metall bestand, und von dem aus die kleine Lampe einen größeren Raum erleuchten konnte.; dann gibt sie allen Hausbewohnern Licht.
16 Ebenso soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euern Vater im Himmel Der Ausdruck: "unser Vater im Himmel", der in nachchristlichen jüdischen Schriften häufig vorkommt, war wohl auch schon zu Jesu Zeit bei den Juden gebräuchlich. preisen.
17 Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz oder die Propheten D.h. die heiligen Schriften des Alten Bundes in ihrer Gesamtheit (vgl. zu dem Ausdruck Matth. 7,12; 22,40; Luk. 16,29.31; 24,27.44; Apg. 24,14; 28,23). aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen D.h. um Gottes Wort im Alten Testament in seinem vollen Sinne zur Geltung zu bringen, wozu dann auch namentlich die Erfüllung der Vorbilder und Weissagungen gehört..
18 Wahrlich Wahrlich: wörtl. Amen. Alles Suchen in den jüdischen Schriften hat bisher noch kein entsprechendes Beispiel zu dem von Jesus gebrauchten einfachen oder doppelten "Wahrlich" (Amen) ans Licht gebracht., ich sage euch: Eher können Himmel und Erde vergehn, als daß auch nur der kleinste Buchstabe Wörtlich: "ein Jod". Das Jod war der kleinste Buchstabe der damaligen aramäischen Schrift. oder ein einziger Strich Durch einen kleinen Strich oder Haken unterscheiden sich sonst ähnliche hebräische Buchstaben voneinander. vom Gesetz abhanden kommt, ohne daß alles erfüllt wird.
19 Wer darum eins von diesen Geboten, und sei es das geringste Wie es durch das Jod oder den kleinen Strich (V.18) bezeichnet wird., aufhebt und so die Leute lehrt, der wird der Geringste heißen im Königreich der Himmel; wer es aber erfüllt und lehrt, der wird ein Großer heißen im Königreich der Himmel Es gibt also Stufen im Königreiche der Himmel. Von der Treue gegen das Gesetz hängt für Jesu Jünger ihre Stellung in dem zukünftigen Reiche ab. Es ist hier aber zu beachten, daß Jesus zu Israeliten redet, die auch als seine Jünger das Gesetz nicht eigenmächtig preisgeben sollen. Und die judenchristlichen Gemeinden, für die ja Matthäus in erster Linie schreibt, haben später auch wirklich das Gesetz treu gehalten. Auf die Frage, wie sich die Gläubigen aus den Heiden zum Gesetze Moses verhalten sollen, geht Jesus hier gar nicht ein. Für alle Jünger Jesu aber, sowohl die aus den Juden als auch die aus den Heiden, ist die Liebe des Gesetzes Erfüllung (7,12; Röm. 13,10; Gal. 5,14)..
20 Denn ich versichere euch: Steht es bei euch mit der Gerechtigkeit nicht viel besser als bei den Schriftgelehrten Vgl. über die Schriftgelehrten meine Geschichte des Volkes Israel, 3. Teil, S. 4ff. und Pharisäern, so werdet ihr gewiß nicht eingehn ins Königreich der Himmel Die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und der Pharisäer war auf das Äußere gerichtet. Die Gerechtigkeit der Jünger Jesu aber soll aus der Liebe fließen..
21 Ihr habt gehört, daß zu den Alten Den Israeliten der alten Zeit, die das Gesetz empfingen. gesagt worden ist Durch Mose.: Du sollst nicht morden! 2. Mos. 20,13. Wer aber einen Mord begeht, der soll dem Ortsgericht Wie es sich nach 5. Mos. 16,18 in allen jüdischen Städten fand. verfallen sein Die Zusatzbestimmung: "wer aber einen Mord begeht" usw., die sich nirgends im Gesetze wörtlich so findet, fügten die Schriftgelehrten in ihrem Unterrichte dem göttlichen Gebote bei. Dabei machten sie aber keinen Unterschied zwischen dem Wortlaute des Gesetzes und ihren Zusätzen. Sie trugen diese vielmehr so vor, als hätte sie Mose selbst ausgesprochen; und das Volk mußte denken, daß Gott so und nicht anders zu Israel geredet habe..
22 Ich aber sage euch: Wer seinem Bruder zürnt, der soll dem Ortsgericht verfallen; wer aber zu seinem Bruder mit Verachtung redet Wörtlich: "wer aber zu seinem Bruder Raka sagt". Die Bedeutung des Wortes Raka ist unsicher. Es heißt im Syrischen "gering, verächtlich". Der Kirchenvater Chrysostomus, der die syrische Volkssprache kannte, sagt, das Wort enthalte keine schwere Beleidigung, sondern drücke eine Verachtung und Geringschätzung aus., der soll dem Hohen Rat verfallen Ein Ausdruck der höheren Strafwürdigkeit. Der Hohe Rat war die höchste Gerichtsbehörde der Juden, die über die schwersten Verbrechen zu entscheiden hatte.; und wer das Scheltwort Narr gebraucht, der soll der Glut des Feuers Wörtlich: "Der Geenna des Feuers". Geenna ist das hebräische Gehinnóm, d.h. das Tal des Gestöhns. In diesem Tale, das südlich von Jerusalem lag, opferte man unter den götzendienerischen Königen dem Moloch kleine Kinder, die in die glühend gemachten Arme des Götzenbildes gelegt wurden. Von dem Schreien der unglücklichen Opfer erhielt dann, wie es scheint, das Tal seinen Namen. Nach der babylonischen Gefangenschaft wurde das Tal als Stätte für die Leichen von Verbrechern und Tieren benutzt, zu deren Verbrennung fortwährend ein Feuer unterhalten wurde. Der Herr will also sagen: Wer das Scheltwort "Narr" gebraucht, dem geschähe recht, wenn sein Leichnam, nach vollzogener Todesstrafe, an der Stätte der Greuel, im Tale Hinnom, verbrannt würde. - Dem Buchstaben nach spricht der Herr in V.21 und 22 von drei Stufen irdischer Bestrafung. Er deutet damit hin auf den Ernst Gottes und auf das Gericht, das Gott an den Lieblosen vollziehen wird. verfallen.
23 Wenn du also deine Opfergabe schon zum Altar Zum Brandopferaltar. gebracht hast, und es fällt dir dort Bei dem Gitter, das den Vorhof der Männer von dem Vorhof der Priester und dem Brandopferaltar trennte. ein, daß dein Bruder gegen dich einen Grund zur Klage hat Weil du ihn beleidigt hast.,
24 so laß dort deine Opfergabe vor dem Altar stehn und geh zunächst hin und söhne dich mit deinem Bruder aus; dann erst komm und bring dein Opfer dar Durch den Dienst des Priesters.!
25 Zeig dich beizeiten deinem Gläubiger Das Verhältnis zu dem gekränkten Bruder wird hier als Schuldverhältnis gedacht. entgegenkommend Damit der Gläubiger sieht, daß er es mit keinem böswilligen Schuldner zu tun hat., solange du noch mit ihm auf dem Wege bist Gemeint ist wohl der Weg zum Richter.! Sonst könnte dich der Gläubiger vor den Richter bringen und der Richter Nach der Gerichtsverhandlung und Verurteilung. dich dem Büttel übergeben, und man könnte dich ins Schuldgefängnis werfen.
26 Wahrlich, ich sage dir: Du kommst dort nicht eher heraus, als bis du den letzten Pfennig Wörtlich: "den letzten Quadrant", ein Viertel eines römischen As, etwa 0,8 Pfennige. bezahlt hast.
27 Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht ehebrechen 2. Mos. 20,14. Hier fehlt ein Zusatz der Schriftgelehrten. Es ist aber hinzuzudenken, daß sie bei diesem Gebote nur die äußere Tatsünde des Ehebruchs im Auge hatten und dessen Quelle, die böse Lust (2. Mos. 20,17; 5. Mos. 5,18), nicht beachten. Daher der Gegensatz (V.28).!
28 Ich aber sage euch: Wer ein Weib Eines andern Eheweib. begehrlich anblickt, der hat schon in seinem Herzen Ehebruch mit ihr getrieben.
29 Wenn dich nun dein rechtes Auge Das rechte Auge ist als das stärkere gedacht. zur Sünde verführt, so reiß es aus und wirf es von dir D.h. kämpfe gegen die Sünde, auch wenn es schmerzliche Opfer kostet.! Denn es ist dir besser, eins von deinen Gliedern geht dir verloren, als daß dein ganzer Leib in die Hölle Wörtlich: "in die Geenna" (vgl. V.22). Die Geenna mit ihrem Feuer war für die Juden ein Bild des Ortes der Qual im Totenreich (Luk. 16,23.24.28). Darum übersetze ich "Geenna" mit "Hölle"; es kommt außer Matth. 5,22.29.30 noch vor Matth. 10,28; 18,9; 23,15.33; Mark. 9,43.45.47; Luk. 12,5; Jak. 3,6. geworfen werde Damit wird deutlich ausgesprochen, daß nicht nur die Seele, sondern auch der Leib der Hölle, dem Orte der Qual anheimfällt..
30 Und wenn dich deine rechte Hand zur Sünde verführt, haue sie ab und wirf sie von dir! Denn es ist dir besser, eins von deinen Gliedern geht dir verloren, als daß dein ganzer Leib in die Hölle fahre.
31 Ferner ist gesagt worden: Wer sein Weib entläßt, der soll ihr einen Scheidebrief geben 5. Mos. 24,1 in freier Wiedergabe..
32 Ich aber sage euch: Wer sein Weib entläßt - abgesehn von dem Falle, daß sie Unzucht getrieben Die Stelle ist schwierig; vielleicht ist hier an den Fall in 5. Mos. 22,13-21 zu denken (vgl. Matth. 19,9). -, der setzt sie der Gefahr aus, daß sie Ehebruch begeht Indem sie sich mit einem andern Manne einläßt oder sich mit ihm verheiratet; denn das erste Band besteht noch fort.; und wer eine (von ihrem Mann) entlassene Frau zum Weibe nimmt, der begeht damit einen Ehebruch Denn die Ehe ist unauflöslich..
33 Weiterhin habt ihr gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht falsch schwören, du sollst vielmehr dem Herrn deine Eide (und Gelübde) erfüllen Dieser Ausspruch ist aus verschiedenen alttestamentlichen Stellen zusammengesetzt (vgl. 2. Mos. 20,7; 3. Mos. 19,12; 4. Mos. 30,3; 5. Mos. 23,22; Ps. 50,14). Es ist hier zu beachten, daß die Schriftgelehrten willkürliche Unterschiede machten zwischen verbindlichen Eiden (bei Gott selbst) und unverbindlichen (bei dem Himmel, bei der Erde usw.); vgl. V.34-36..
34 Ich aber sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören Hier handelt es sich um das leichtfertige Schwören im täglichen Leben, nicht um den feierlichen Eid vor Gericht, den Jesus selbst geleistet hat (Matth. 26,63f.). Aber auch der Eid vor Gericht wird nur durch den jetzigen unvollkommenen Zustand der Christenheit erforderlich.: weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron Jes. 66,1.,
35 noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel Auch Jes. 66,1., noch bei Jerusalem, denn sie ist des großen Königs Stadt Ps. 48,3. Der große König ist Gott..
36 Du sollst auch nicht bei deinem Haupte schwören; denn du bist nicht imstande, ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen Ein Ausdruck der menschlichen Ohnmacht und völligen Abhängigkeit von Gott..
37 In eurer Rede sei vielmehr das Ja ein Ja, das Nein ein Nein Eure Rede sei in jeder Hinsicht einfach und wahr (Jak. 5,12; 2. Kor. 1,18).; was dem hinzugefügt wird Durch alle möglichen Beteuerungen, die oft nur die Unwahrheit bemänteln sollen., stammt von dem Bösen Von dem Teufel, dem Vater der Lüge (Joh. 8,44)..
38 Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn 2. Mos. 21,24; 3. Mos. 24,19.20. In diesen Stellen wird durch das Strafrecht das Gesetz der strengen Wiedervergeltung ausgesprochen.!
39 Ich aber sage euch: Setzt einem bösen Menschen Der euch Schaden zufügen will. keinen Widerstand entgegen D.h. verzichtet ihm gegenüber auf eine richterliche Klage. Hier ist 1. Kor. 6,1-8 zu vergleichen. Daß man aber widerstandslos alles über sich ergehen lassen solle, wir in diesen und den folgenden Worten keineswegs verlangt. Jesus selbst hat ja auch anders gehandelt und ebenso sein Apostel Paulus (Joh. 18,22f.; Apg. 23,1-3; 25,9-11). Der Sinn von V.38-42 ist vielmehr, daß Jesu Jünger in ihrem ganzen Verhalten gegen den Nächsten nicht das strenge Recht, sondern die sanftmütige und opferwillige Liebe walten lassen sollen (Jes. 50,4-7; 1. Petr. 2,18-21; 3,9; Röm. 12,19-21).! Im Gegenteil: Wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die andre hin!
40 Und wer dir durch eine Klage vor Gericht dein Unterkleid entreißen will, dem gib freiwillig auch dein Oberkleid Das Oberkleid (der Mantel) war wertvoller als das Unterkleid (der Leibrock); es diente dem Armen auch als Decke (2. Mos. 22,25f.)..
41 Und wer dein Geleit für eine Meile haben will, mit dem gehe zwei Ein rabbinischer Ausspruch lautet: Wer einem Reisenden nicht das Geleit (durch eine unsichere Gegend) gibt, der ist, als ober er einen Mord beginge.!
42 Wer dich um etwas bittet, dem gib; und wer etwas von dir borgen will, von dem wende dich nicht ab Als Borgender ist hier der Arme gedacht (2. Mos. 22,24; 3. Mos. 25,35-38; Sirach 4,4; 29,8-10).!
43 Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen Hier handelt es sich um einen Satz der mündlichen Überlieferung zur Zeit Jesu. Der Pharisäer sollte seinen Nächsten, d.h. seinen Genossen, lieben, aber seinen Feind, d.h. den Juden, der nicht zu seiner Gemeinschaft gehörte, und der deshalb das Gesetz nicht kannte und nicht hielt, hassen (Luk. 18,9; Joh. 7,49).!
44 Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und betet für eure Verfolger!
45 Dann zeigt ihr euch als Söhne eures Vaters im Himmel. Denn er läßt seine Sonne aufgehn über Böse und Gute und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46 Denn wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, was für eine Belohnung habt ihr da zu erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner Die Zöllner oder Steuerpächter wurden von den Pharisäern als besonders große Sünder angesehen, weil sie den Römern bei der Einziehung der Steuern dienten und sich dabei nicht selten durch Betrug bereicherten.?
47 Und wenn ihr nur mit euern Volksgenossen verkehrt, was tut ihr da Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
48 Darum Weil eine solche Liebe, wie sie in V.46f. geschildert wird, in Gottes Augen keinen Wert hat. sollt ihr vollkommen sein Vollkommen in Liebe und Barmherzigkeit., wie euer himmlischer Vater vollkommen ist In 5,21-48 schildert Jesus die Gerechtigkeit, die für den Eingang in das Königreich der Himmel nötig ist, im Gegensatz zu der Gesetzesauslegung der Schriftgelehrten, indem er seine Jünger in den eigentlichen Sinn des göttlichen Gesetzes einführt. Von 6,1 ab beschreibt er dann diese Gerechtigkeit in Gegensatz zu der Frömmigkeit der Pharisäer, in dem er von der Mildtätigkeit gegen die Armen (V.2-4), vom Gebet (V.5-15) und vom Fasten (V.16-18) redet; denn gerade diese drei Stücke gehörten bei den Juden hauptsächlich zu der in 6,1 erwähnten Gerechtigkeit (vgl. Sirach 3,30f.; 29,11-13; Tobias 12,8f.)..
1 Als Jesus nun die Volksscharen sah, ging er ins Gebirge (oder: auf den Berg) hinauf, und nachdem er sich dort gesetzt hatte, traten seine Jünger (d.h. Schüler, Zuhörer) zu ihm.
2 Da tat er seinen Mund auf und lehrte sie mit den Worten:
3 »Selig sind die geistlich Armen, denn ihnen wird das Himmelreich zuteil!
4 Selig sind die Bekümmerten, denn sie werden getröstet werden! –
5 Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land ererben (oder: die Erde besitzen)!
6 Selig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden! –
7 Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen!
8 Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!
9 Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Söhne Gottes (vgl. 5,45) heißen! –
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung erleiden, denn ihnen wird das Himmelreich zuteil!
11 Selig seid ihr, wenn man euch um meinetwillen schmäht und verfolgt und euch lügnerisch alles Böse nachredet!
12 Freuet euch darüber und jubelt, denn euer Lohn ist groß im Himmel! Ebenso hat man ja auch die Propheten vor euch verfolgt.«
13 »Ihr seid das Salz der Erde (= für die Erde)! Wenn aber das Salz fade (= salzlos) geworden ist, womit soll es wieder gesalzen werden (d.h. seine Salzkraft zurückerhalten)? Es taugt zu nichts mehr, als aus dem Hause geworfen und von den Leuten zertreten zu werden (Mk 9,50; Lk 14,34-35). –
14 Ihr seid das Licht der Welt! Eine Stadt, die oben auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben.
15 Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter (d.h. Lichtständer): dann leuchtet es allen, die im Hause sind (Mk 4,21; Lk 8,16; 11,33).
16 Ebenso soll auch euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der im Himmel ist, preisen.«
17 »Denkt nicht, daß ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen (= aufzuheben)! Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen (d.h. zur Erfüllung zu bringen).
18 Denn wahrlich ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird vom Gesetz nicht ein einziges Jota (d.h. der kleinste Buchstabe) und kein Strichlein vergehen (= aufgehoben werden), bis alles in Erfüllung gegangen ist.
19 Wer also ein einziges von diesen Geboten – und wäre es das geringste – auflöst (= aufhebt) und die Menschen demgemäß lehrt, der wird der Geringste (oder: Kleinste) im Himmelreich heißen; wer sie aber tut und (die Menschen) so lehrt, der wird groß im Himmelreich heißen.
20 Denn ich sage euch: Wenn es mit eurer Gerechtigkeit nicht weit besser bestellt ist als bei den Schriftgelehrten und Pharisäern, so werdet ihr nimmermehr ins Himmelreich eingehen!«
21 »Ihr habt gehört, daß den Alten (= Vorfahren) geboten worden ist (2.Mose 20,13; 21,12): ›Du sollst nicht töten‹, wer aber tötet, soll dem Gericht verfallen sein.
22 Ich dagegen sage euch: Wer seinem Bruder auch nur zürnt, der soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder ›Dummkopf‹ sagt, soll dem Hohen Rat verfallen sein; und wer ›du Narr‹ (= Gottloser) zu ihm sagt, soll der Feuerhölle (= Gehenna) verfallen sein.
23 Wenn du also deine Opfergabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat,
24 so laß deine Gabe dort vor dem Altar und gehe zunächst hin und versöhne dich mit deinem Bruder; alsdann geh hin und opfere deine Gabe!
25 Sei zum Vergleich mit deinem Widersacher (= Prozeßgegner) ohne Säumen bereit, solange du mit ihm noch auf dem Wege (zum Richter) bist, damit dein Widersacher dich nicht dem Richter übergibt und der Richter dich dem Gerichtsdiener (überantwortet) und du ins Gefängnis gesetzt wirst.
26 Wahrlich ich sage dir: Du wirst von dort sicherlich nicht herauskommen, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast (vgl. Lk 12,58-59).
27 Ihr habt gehört, daß (den Alten) geboten worden ist (2.Mose 20,14): ›Du sollst nicht ehebrechen!‹
28 Ich dagegen sage euch: Wer eine Ehefrau auch nur mit Begehrlichkeit anblickt, hat damit schon in seinem Herzen Ehebruch an ihr begangen.
29 Wenn dich also dein rechtes Auge ärgert (oder: zum Bösen verführen will), so reiß es aus und wirf es weg von dir; denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder (dir) verloren geht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.
30 Und wenn deine rechte Hand dich ärgert (oder: zum Bösen verführen will), so haue sie ab und wirf sie weg von dir; denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder (dir) verloren geht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. –
31 Ferner ist (zu den Alten) gesagt worden (5.Mose 24,1): ›Wer seine Ehefrau entläßt (oder: sich von seiner Frau scheiden will), der soll ihr einen Scheidebrief geben!‹
32 Ich dagegen sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet – außer auf Grund von Unzucht –, der verschuldet es, daß dann Ehebruch mit ihr verübt wird; und wer eine entlassene (oder: geschiedene) Frau heiratet, der begeht Ehebruch.
33 Ihr habt weiter gehört, daß den Alten geboten worden ist (3.Mose 19,12; 4.Mose 30,3-4): ›Du sollst nicht falsch schwören‹, ›sollst aber dem Herrn deine Eide erfüllen!‹
34 Ich dagegen sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron,
35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs (d.h. Gottes).
36 Auch bei deinem Haupte sollst du nicht schwören, denn du vermagst kein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.
37 Eure Rede sei vielmehr ›ja ja – nein nein‹; jeder weitere Zusatz ist vom Übel (oder: stammt vom Bösen).
38 Ihr habt gehört, daß (den Alten) geboten worden ist (2.Mose 21,24; 3.Mose 24,19-20): ›Auge um (= gegen) Auge und Zahn um (= gegen) Zahn!‹
39 Ich dagegen sage euch: Ihr sollt dem Bösen (= der Bosheit) keinen Widerstand leisten; sondern wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin,
40 und wer mit dir einen Rechtsstreit anfangen und dir den Rock nehmen (= pfänden) will, dem überlaß auch noch den Mantel,
41 und wer dich zu einer Meile Weges nötigt (= preßt), mit dem gehe zwei.
42 Wer dich (um etwas) bittet, dem gib, und wer (Geld) von dir borgen will, den weise nicht ab!
43 Ihr habt gehört, daß (den Alten) geboten worden ist (3.Mose 19,18); ›Du sollst deinen Nächsten lieben, und deinen Feind hassen!‹
44 Ich dagegen sage euch: Liebet eure Feinde und betet für eure Verfolger,
45 damit ihr euch als Söhne (bzw. Kinder) eures himmlischen Vaters erweist. Denn er läßt seine Sonne über Böse und Gute aufgehen und läßt regnen auf Gerechte und Ungerechte.
46 Denn wenn ihr (nur) die liebt, die euch lieben, welches Verdienst habt ihr da (oder: welchen Lohn habt ihr dafür zu erwarten)? Tun das nicht auch die Zöllner?
47 Und wenn ihr nur eure Freunde grüßt, was tut ihr da Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
48 Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.«