1 Ich rede die Wahrheit als einer, der mit Christus in Gemeinschaft steht; ich lüge nicht. Mein durch den Heiligen Geist erleuchtetes Gewissen zeugt für mich, wenn ich hier beteuere:
2 Ich habe tiefe Traurigkeit, und ein steter Gram nagt an meinem Herzen Auf das freudige Siegeslied 8,31-39 folgt ganz ohne Übergang und darum desto erschütternder in 9,1ff. der Ausdruck tiefster Betrübnis..
3 Ja ich habe oft zu Gott gefleht, er möge mich aus der Gemeinschaft Christi stoßen und dem Verderben überliefern, wenn das zur Rettung meiner Brüder, meiner irdischen Stammverwandten, dienen könne Während der Apostel von seinen judenchristlichen Gegnern beschuldigt wurde, er habe kein Herz für Israel, ja er wünsche dem ungläubigen jüdischen Volk Gottes Strafgericht (3,8; 1. Thess. 2,15f.), erklärt er diesen Lästerungen gegenüber, er habe sogar den (freilich unerfüllbaren) Wunsch gehabt (vgl. Ps. 49,8-9), aus Christi Gemeinschaft verstoßen zu werden, wenn sein unglückliches Volk dadurch in Christi Gemeinschaft eingehen könne (vgl. 2. Mos. 32,31-33)..
4 Sie tragen den Ehrennamen Israeliten. Sie haben die Sohneswürde Das ganze Israel heißt Gottes erstgeborener Sohn (2. Mos. 32,19; Jes. 1,2; 63,16).. In ihrer Mitte ist des Herrn Herrlichkeit erschienen Vgl. 2. Mos. 14,19f.24; 33,22; 40,34f.; 4. Mos. 9,15; 1. Kön. 8,11.. Ihnen sind die (göttlichen) Verordnungen zuteil geworden Außer den Verordnungen am Sinai ist hier auch an die Verheißungen für die Erzväter (1. Mos. 17,2.19; 26,1-5; 28,10ff.) sowie für David und sein Haus zu denken (2. Sam. 7,8-29; Jes. 55,3); vgl. Eph. 2,12.. Sie haben das Gesetz, den Gottesdienst und die Verheißungen empfangen.
5 Ihnen gehören die Erzväter an Abraham, Isaak und Jakob; auch David wird Erzvater genannt (Apg. 2,29).. Aus ihnen ist der Messias seiner Menschheit nach hervorgegangen -, der da ist Herr über alles und als Gott zu preisen in Ewigkeit. Amen.
6 Damit Daß ich auf Israels Verstockung gegen die Heilsbotschaft hinweise. will ich aber nicht sagen, daß Gottes Zusage Die Israel zuteil geworden ist. hinfällig geworden wäre Weil nämlich ein Teil des Volkes das messianische Heil nicht erlangt hat.. Denn nicht alle, die von Israel D.h. wahrscheinlich: von Jakob (vgl. 1. Mos. 32,29). stammen, gehören zu dem (wahren) Israel.
7 Heißen doch auch nicht alle Nachkommen Abrahams ausnahmslos seine Kinder, sondern: "Nur Isaaks Kinder sollen deine Nachkommen Und damit Erben der Verheißung. heißen 1. Mos. 21,12.."
8 Also: nicht die leiblichen Nachkommen Abrahams D.h. die Nachkommen Hagars. sind damit auch schon Kinder Gottes Vgl. Joh. 8,41., sondern nur die Kinder der Verheißung D.h. die Nachkommen Saras. werden als Abrahams echte Nachkommen betrachtet Vgl. Gal. 4,23..
9 Denn es ist ein Verheißungswort: Um diese Zeit will ich wiederkommen, dann soll Sara einen Sohn haben 1. Mos. 18,10.14..
10 Und ganz dasselbe gilt auch bei Rebekka Auch hier zeigte es sich, daß die leiblichen Nachkommen des Trägers der Verheißung (in diesem Fall: die Nachkommen Isaaks) noch nicht Erben des göttlichen Segens waren.. Sie war guter Hoffnung von einem Mann, unserem Vater Isaak.
11 Als aber die Kinder noch nicht geboren waren und folglich auch noch nichts Gutes oder Böses getan hatten, schon da traf Gott eine Auswahl.
12 Die blieb in voller Kraft und hing nicht ab von dem Verhalten des Menschen, sondern von dem Willen des Berufenden. Darum erging auch an Rebekka des Wort: Der Ältere soll dem Jüngeren dienstbar sein 1. Mos. 25,23..
13 Und anderswo steht geschrieben: Jakob habe ich geliebt, und Esau habe ich gehaßt Mal. 1,2-3. Hassen heißt hier nicht: verwerfen, sondern es steht nur im Gegensatz zu der bevorzugten Stellung, die Gott Jakob und seinen Nachkommen verliehen hat..
14 Was folgt hieraus? Gibt's etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Nimmermehr!
15 Zu Mose sagt er ja: Ich werde gnädig sein, wem ich will, und mich erbarmen, wes ich will 2. Mos. 33,19. Wenn Gott bestimmte Menschen zu einem besonderen heilsgeschichtlichen Beruf erwählt, so hat diese Erwählung nichts zu tun mit dem Verhalten der Menschen, sondern sie ist einzig begründet in Gottes gnädigem Willen. Dagegen das Endschicksal der einzelnen Menschen im Weltgericht hängt ausschließlich ab von ihrem Verhalten hier in dieser Zeit (2,6; 2. Kor. 5,10). Es ist also ein gefährliches Mißverständnis, wenn man meint, der Apostel wolle hier (V.11ff.) die Frage erörtern, welche Menschen zur Seligkeit gelangen und welche nicht..
16 Demnach kommt es nicht an auf menschliches Wollen oder Laufen Bild von der Rennbahn (Gal. 2,2; 5,7; 1. Kor. 9,24; Phil. 2,16; 2. Tim. 4,7)., sondern auf Gottes Erbarmen.
17 Sagt doch die Schrift zu Pharao: Gerade darum habe ich dich zum König bestellt, um an dir meine Macht zu erweisen und meinen Namen auf der ganzen Erde kundzumachen 2. Mos. 9,16..
18 Also: Gott ist gnädig, wem er will, und verstockt, wen er will In der Leitung der Geschichte und in der Verwendung der Menschen für seinen großen Reichsplan ist Gottes Wille von dem Wollen und Tun der Menschen ganz unabhängig. Das ist der Sinn dieser Worte. Nicht aber ist hier von einer Gnade Gottes die Rede, wodurch der einzelne Mensch selig wird, oder von einer Verstockung, wodurch er unfähig wird, das ihm angebotene Heil im Glauben zu ergreifen..
19 Nun kannst du mir einwenden: "Wie kann Gott dann Wenn er selbst den Sünder verstockt oder verhärtet. noch jemand tadeln Der Gottes Gnade nicht annimmt.? Kann man denn seinem Willen widerstehen?"
20 O Mensch, wer bist du, daß du Gott widersprechen willst? Darf etwa das Bild zu seinem Bildner sagen: Warum hast du mich gerade so gemacht Vgl. Jes. 29,16; 45,9.?
21 Hat der Töpfer nicht freie Verfügung über seinen Ton Vgl. Jer. 18,6.? Kann er nicht aus derselben Masse verschiedene Gefäße bilden - das eine zur Zier, das andere zum gewöhnlichen Gebrauch?
22 Was willst du nun sagen, wenn Gott, obwohl er einst sein Zorngericht offenbaren und seine Macht erweisen will, zum Verderben reife Zorngefäße dennoch bisher in großer Langmut getragen hat,
23 und zwar deshalb, um zu gleicher Zeit den Reichtum seiner Herrlichkeit zu zeigen an Gefäßen des Erbarmens, die er vorbereitet hat für die zukünftige Herrlichkeit Die Zorngefäße sind die ungläubigen Juden. Über sie kam das Gericht in der Zerstörung Jerusalems (70 n.Chr.). Dies Gericht (sagt Paulus) hält Gott in Langmut zurück, um während dieser Zeit der Geduld gegen das ungläubige jüdische Volk aus Juden und Heiden eine Gemeinde zu sammeln und sie vorzubereiten für die zukünftige Herrlichkeit.?
24 Und sind wir nicht solche Gefäße Nämlich: Gefäße des Erbarmens.? Gerade dazu Gefäße des Erbarmens zu sein. hat er uns berufen Die Berufung ist der erste Schritt zu der zukünftigen Herrlichkeit (vgl. 8,30). nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.
25 Darum spricht Gott bei Hosea: Was nicht mein Volk ist, das will ich mein Volk nennen, und die nicht Geliebte soll Geliebte heißen.
26 Ja, an dem Ort, wo zu ihnen gesagt worden ist: "Ihr seid nicht mein Volk", da sollen sie Söhne des lebendigen Gottes heißen Hos. 2,25 (23); 2,1. - Hos. 2,25 (23) redet nach dem Wortsinn nicht von der Annahme der Heiden zu Gottes Volk, sondern von der Wiederannahme und Begnadigung der götzendienerischen zehn Stämme. Die Ausdrücke: "Nicht mein Volk" und "die nicht Geliebte" beziehen sich auf die sinnbildlichen Namen eines Sohnes und einer Tochter des Propheten Hosea, die das verstoßene Volk der zehn Stämme bezeichnen soll (Hos. 1,6-9). "An dem Ort" geht vielleicht auf die Länder der Heiden, wohin Israel für eine Zeitlang weggeführt werden sollte: noch in der Verbannung sollte Israel in die Würde des Gottesvolkes wiedereingesetzt werden..
27 Und Jesaja ruft über Israel aus: Wären auch die Kinder Israels so zahlreich wie der Meeressand, so soll doch der Überrest Ein gläubiger Überrest. errettet werden.
28 Denn der Herr will sein Strafurteil in Kürze vollstrecken auf der Erde Nach Jes. 10,22-23. Die ungläubigen Juden, die Zorngefäße, die der Herr so lange in Langmut getragen hat, werden endlich von dem gerechten Strafgericht ereilt werden..
29 Und - wie Jesaja vorhergesagt hat -: Hätte uns der Herr der Heerscharen nicht ein Saatkorn "Ein Saatkorn" des wahren Israel. übriggelassen, so wäre es uns ergangen wie Sodom, und wir hätten Gomorras Schicksal geteilt Jes. 1,9..
30 Was folgt nun hieraus? Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit gestrebt, haben Gerechtigkeit erlangt: nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt.
31 Israel aber, das durch Erfüllung des Gesetzes Gerechtigkeit erlangen wollte, hat dies von dem Gesetz gesteckte Ziel nicht erreicht.
32 Und warum nicht? Weil es dies Ziel nicht erreichen wollte durch Glauben, sondern durch Werke.
33 Darum hat es sich auch gestoßen an dem Stein des Anstoßes D.h. an dem Messias, dessen Erscheinen in Armut und Niedrigkeit dem fleischlichen Sinn Israels mißfiel., wie geschrieben steht: Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Strauchelns; wer auf ihn vertraut, der soll nicht zuschanden werden Jes. 8,14; 28,16..
1 Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht – mein Gewissen bezeugt es mir im heiligen Geist –:
2 ich trage schweren Kummer und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen.
3 Gern wollte ich selbst durch einen Fluch aus der Gemeinschaft mit Christus ausgestoßen sein, wenn ich dadurch meine Brüder, meine Volksgenossen nach dem Fleische, retten könnte;
4 sie sind ja doch Israeliten, denen der Sohnesstand (oder: das Kindschaftsrecht = die Annahme zum Gottesvolk) und die Herrlichkeit Gottes, die Bündnisse und die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen zuteil geworden sind,
5 denen die Erzväter angehören und aus denen der Messias dem Fleische nach stammt: der da Gott über allem ist, gepriesen in Ewigkeit! Amen.
6 Ich will damit aber nicht gesagt haben, daß Gottes Verheißungswort hinfällig geworden (oder: unerfüllt geblieben) sei; denn nicht alle, die aus Israel stammen, sind Israel,
7 und nicht alle sind schon deshalb, weil sie Abrahams Same (d.h. leibliche Nachkommen) sind, auch seine Kinder; sondern (1.Mose 21,12): »In (= nach) Isaak soll dir Nachkommenschaft genannt werden.«
8 Das will ich sagen: Nicht die leiblichen Kinder (Abrahams) sind damit auch Gottes Kinder, sondern (nur) die Kinder der Verheißung werden als Nachkommenschaft (Abrahams) gerechnet.
9 Denn so lautet das Wort der Verheißung (1.Mose 18,10.14): »(Übers Jahr) um diese Zeit werde ich (wieder-) kommen, da wird Sara einen Sohn haben.«
10 Und nicht nur hier (= bei Sara) ist es so gewesen, sondern auch bei Rebekka, die von einem und demselben Manne, nämlich unserm Vater (= Ahnherrn) Isaak, guter Hoffnung war.
11 Denn ehe sie (ihre beiden Kinder) noch geboren waren und irgend etwas Gutes oder Böses getan hatten, schon da wurde – damit Gottes Vorherbestimmung aus freier Wahl bestehen bliebe,
12 abhängig nicht von Werken, sondern (allein) von dem (Willen des) Berufenden – der Rebekka gesagt (1.Mose 25,23): »Der Ältere wird dem Jüngeren dienstbar sein«;
13 wie ja auch (anderswo) geschrieben steht (Mal 1,2-3): »Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehaßt.«
14 Was folgt nun daraus? Liegt da etwa Ungerechtigkeit auf seiten Gottes vor? Nimmermehr!
15 Zu Mose sagt er ja (2.Mose 33,19): »Ich werde Gnade erweisen, wem ich gnädig bin, und werde Barmherzigkeit dem erzeigen, dessen ich mich erbarme.«
16 Demnach kommt es nicht auf jemandes Wollen oder Laufen (= Bemühen) an, sondern auf Gottes Erbarmen.
17 So sagt ja auch die Schrift zum Pharao (2.Mose 9,16): »Gerade dazu habe ich dich in die Welt kommen lassen, um an dir meine Macht zu erweisen und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündet werde.«
18 Also: Gott erbarmt sich, wessen er will, und verstockt auch, wen er will.
19 Da wirst du mir nun einwenden: »Wie kann er dann noch (jemand) tadeln? Wer vermöchte denn seinem Willen (oder: Ratschluß) Widerstand zu leisten?«
20 Ja, o Mensch, wer bist denn du, daß du Gott zur Verantwortung ziehen willst? Darf etwa das Gebilde zu seinem Bildner sagen: »Warum hast du mich so gemacht?«
21 Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse hier ein Gefäß zu ehrenvoller Bestimmung und dort ein anderes zu gemeiner Verwendung zu verfertigen?
22 Wie aber, wenn Gott, obgleich er seinen Zorn offenbaren und seine Macht an den Tag legen will, doch die Gefäße des Zornes, die zur Vernichtung hergestellt sind (oder: für den Untergang, oder: zum Gericht reif waren), mit großer Langmut getragen hat,
23 um zugleich den Reichtum seiner Herrlichkeit an Gefäßen des Erbarmens zu erweisen, die er zur (Teilnahme an seiner) Herrlichkeit zuvor bereitet hat?
24 Als solche (Gefäße des Erbarmens) hat er auch uns berufen, und zwar nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden(völkern),
25 wie er ja auch bei (dem Propheten) Hosea sagt (Hos 2,25): »Ich werde das, was nicht mein Volk ist, mein Volk nennen und der Ungeliebten den Namen ›Geliebte‹ beilegen«;
26 und (Hos 2,1): »Es wird geschehen: an dem Orte, wo zu ihnen gesagt worden ist: ›Ihr seid nicht mein Volk‹, dort werden sie ›Söhne des lebendigen Gottes‹ genannt werden.«
27 Jesaja ferner ruft laut im Hinblick auf Israel aus (Jes 10,22-23): »Wenn auch die Zahl der Söhne Israels wie der Sand am Meer wäre, wird doch nur der Rest davon gerettet werden;
28 denn sein Wort (= seine Drohung) wird der Herr, indem er die Dinge sicher und Schlag auf Schlag verlaufen läßt, zur Ausführung auf der Erde bringen.«
29 Und wie Jesaja vorhergesagt hat (Jes 1,9): »Hätte der Herr der Heerscharen uns nicht einen Samen (= eine Nachkommenschaft) übriggelassen, so wären wir wie Sodom geworden und hätten gleiches Schicksal mit Gomorrha gehabt.«
30 Was folgt nun daraus? Dieses: Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit trachteten, haben Gerechtigkeit erlangt, nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt;
31 Israel dagegen, das nach der vom Gesetz geforderten Gerechtigkeit trachtete, hat das vom Gesetz gesteckte Ziel (der Rechtfertigung) nicht erreicht.
32 Warum nicht? Weil sie es nicht auf dem Glaubensweg, sondern es mit Werken haben erreichen wollen: da haben sie sich am Stein des Anstoßes gestoßen,
33 von dem geschrieben steht (Jes 28,16; 8,14): »Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses (oder: des Strauchelns = zum Fallen); und wer auf ihn sein Vertrauen setzt (oder: an ihn glaubt), wird nicht zuschanden (oder: enttäuscht) werden.«