1 Dem Sangmeister. Ein Psalm Davids. / Gott, dem mein Loblied gilt, schweige doch nicht!
2 Denn der Frevler und Lügner Mund / Hat sich wider mich aufgetan, / Zu mir geredet mit falscher Zunge.
3 Mich haben Worte des Hasses umschwirrt / Und grundlos gegen mich Krieg geführt:
4 Mit Feindschaft lohnten sie meine Liebe - / Doch ich habe stets für sie gebetet. Wörtlich: "Ich aber war Gebet."
5 Sie haben mir Böses für Gutes erwiesen / Und für meine Liebe Haß.
6 Bestell einen Frevler wider ihn Hier hat der Psalmist unter seinen Feinden einen besonders im Auge, jedenfalls seinen Hauptwidersacher. Er bittet Gott, er möge gegen diesen seinen größten Feind einen anderen Frevler oder Gottlosen als Feind erwecken, so daß der eine Frevler den anderen verderbe., / Ein Verkläger steh ihm zur Rechten! Der Verkläger stand zur Rechten des Angeklagten (Sach. 3,1).
7 Kommt er vor Gericht, so werd er als schuldig verurteilt, / Sein Gebet sogar - es werde zur Sünde! Wenn der Verurteilte mit unbußfertigem Herzen betet, so kommt er dadurch aufs neue unter Gottes Gericht.
8 Seiner Tage sollen nur wenig sein Er soll frühzeitig sterben und dadurch auch aus seinem Amt gerissen werden., / Sein Amt soll ein andrer empfangen. Gemeint ist das Amt eines Aufsichtsführenden, eines Vorstehers. Dieser Hauptfeind des Psalmisten muß also eine wichtige Stelle bekleidet haben.
9 Seine Kinder sollen Waisen werden / Und sein Weib eine Witwe.
10 Seine Kinder sollen als Bettler unstet wandern, / (Brot) suchen fern von den Trümmern (des Vaterhauses).
11 Sein Gläubiger lege auf seinen Besitz Beschlag, / Und Fremde sollen ihm seine Habe rauben.
12 Nicht einer bewahre ihm Liebe, / Niemand erbarme sich seiner Waisen!
13 Sein Nachwuchs sei zum Vertilgen bestimmt, / Schon im andern Geschlecht erlösche sein Name!
14 Seiner Väter Schuld möge Jahwe gedenken, / Ungetilgt bleibe seiner Mutter Sünde! Vgl. 2. Mos. 20,5.
15 Sondern immer seien sie Die Väter oder Vorfahren des Hauptfeindes des Psalmisten. Jahwe vor Augen; / Der tilg ihr Gedächtnis aus dem Lande,
16 Weil er Des Psalmisten Hauptfeind. nicht gedachte, Erbarmen zu üben, / Sondern den verfolgte, der elend und arm, / Ja den Verzagten zu morden suchte.
17 So hat er den Fluch geliebt: der treffe ihn nun! / Den Segen begehrte er nicht: der bleibe ihm fern!
18 Drum zog er den Fluch an wie sein Kleid: / Der dringe nun wie ein Wasser in ihn / Und gehe wie Öl in seine Gebeine! Mit Öl wird eingerieben; der Fluch soll also tief eindringen.
19 Wie ein Kleid sei er Der Fluch. ihm, in das er sich hüllt, / Wie ein Gurt, mit dem er sich ständig gürtet.
20 So lohne Jahwe meinen Verklägern / Und denen, die Böses wider mich reden.
21 Du aber, Jahwe Adonái, / Wirke mit mir D.h. wirke in Gemeinschaft mit mir, gleichsam als mein Bundesgenosse (so mit Ed. König). um deines Namens willen! / Rette du mich, weil deine Huld so herrlich ist!
22 Denn ich bin elend und arm, / Und mein Herz ist in mir verwundet.
23 Wie ein Schatten, wenn er sich dehnt Am Ende des Tages dehnen sich die Schatten, d.h. sie werden länger., so bin ich vergangen So schwindet mein Leben dahin., / Gleich Heuschrecken bin ich hinweggescheucht. Die Heuschrecken werden durch den Wind hinweggetrieben und ins Meer geworfen (Joel 2,20).
24 Meine Knie schlottern vom Fasten, / Mein Fleisch ist verfallen und mager.
25 Den Leuten bin ich zum Hohn geworden, / Sie schütteln den Kopf Zum Zeichen des Spottes., sooft sie mich sehn.
26 Hilf du mir, Jahwe, mein Gott, / Rette du mich nach deiner Huld!
27 Dann werden die Leute erkennen, daß dies deine Hand, / Daß du, o Jahwe, es hast getan. Gottes "Hand" oder Wirken steht im Gegensatz zu allem sogenannten Zufall oder Menschenwerk. Die Leute in der Umgebung des Psalmisten werden endlich klar erkennen, daß Gott ihm wie einst dem Hiob sein Leiden nur für eine Zeitlang zu seiner Prüfung und Läuterung auferlegt hat. Den Fluch und die Feindschaft der Menschen wird Gott für den Psalmisten schließlich in Segen und Freude wandeln.
28 Fluchen sie, so wollest du segnen. / Erheben sie sich, so laß sie zuschanden werden, / Während dein Knecht sich freuen darf.
29 Laß meine Verkläger sich kleiden in Schmach / Und Schande anziehn wie ein Gewand!
30 Ich will Jahwe laut danken mit meinem Munde, / Inmitten vieler ihn loben.
31 Denn er tritt dem Armen zur Rechten Zur Rechten des Armen und Leidenden steht ja auch der Verkläger, der Satan (V.6). Indem nun aber auch Gott zur Rechten des Verfolgten tritt, entreißt er ihn den Händen seiner Peiniger., / Um ihn zu retten vor denen, / Die ihn verurteilen wollen. Es folge hier noch ein kurzes Schlußwort über Ps. 109. Wir sehen: der Psalmist wird heftig verfolgt. Man sucht ihn durch Lüge und Verleumdung mit Hilfe ungerechter Richter zu verurteilen, ja zu töten. Unter seinen Feinden tritt einer besonders hervor. Ist dieser Feind, wenn der Psalm von David stammt, vielleicht der Verräter Doeg oder der andere Verräter Ahitofel (1. Sam. 22,6ff.; 2. Sam. 15,12.31; 16,20-23; 17,23)? Bestimmtes läßt sich nicht sagen. In seiner traurigen Lage bittet nun der Psalmist, Gott möge seinen Feinden, namentlich dem einen Hauptwidersacher, nach ihren Missetaten vergelten. Der Geist, in dem der Dichter hier redet, ist der Geist vom Sinai, der Geist Elias, der in den Genossen des Neuen Bundes nicht mehr walten soll (Luk. 9,55; s. auch das in der Einleitung über die sogenannten Rachepsalmen Gesagte). Anderseits aber ist festzuhalten, daß bei den Frommen des Alten Bundes die Bitte um Wiedervergeltung des ihnen zugefügten Bösen und um die Bestrafung der Gottlosen aus dem Eifer für Gottes Ehre hervorgeht. So sind auch die Drohungen in unserem Psalm kein Ausfluß fleischlicher Rachsucht, sondern sie weisen prophetisch hin auf das schreckliche Los, das alle unbußfertigen Feinde Gottes endlich treffen wird. In diesem Sinne hat sich auch das in Ps. 109 angekündigte Verderben an einem Verräter erfüllt, dessen Tat ungleich furchtbarer war als die der beiden Verräter Doeg und Ahitofel: es hat sich erfüllt an Judas, dem Verräter Jesu, auf den deshalb auch in Apg. 1,20 der 8. Vers unseres Psalms durch Petrus gedeutet wird. Judas wurde durch seine entsetzliche Sünde der "Verlorne", der Sohn des Verderbers, der Unglückselige, der dem ewigen Verderben verfallen ist (Joh. 17,12). "Der Verlorne" wird außer Judas im Neuen Testament nur noch einer genannt: der Antichrist (2. Thess. 2,3). An ihm, dem größten Feind Christi, wird sich der Ps. 109 ausgesprochene prophetische Fluch auch am furchtbarsten erfüllen (vgl. Offb. 19,20).
1 Dem Musikmeister; von David ein Psalm.Du Gott, dem mein Lobpreis gilt, bleibe nicht stumm!
2 Denn Frevlermund und Lügenmaulhaben sich gegen mich aufgetan,mit trügerischer Zunge zu mir geredet;
3 mit Worten des Hasses haben sie mich umschwirrtund ohne Ursach’ mich angegriffen;
4 für meine Liebe befeinden sie mich,während ich doch (stets für sie) bete;
5 ja sie haben mir Böses für Gutes vergoltenund Haß für meine Liebe erwiesen.
6 Bestell’ einen Frevler zum Richter gegen ihn,und ein Ankläger (oder: Widersacher) steh’ ihm zur Rechten!
7 Als schuldig soll er hervorgehn aus dem Gerichtund sogar sein Gebet ihm als Sünde gelten!
8 Seiner Lebenstage müssen nur wenige sein,und sein Amt ein andrer empfangen!
9 Seine Kinder müssen zu Waisen werdenund seine Frau eine Witwe!
10 Seine Kinder müssen unstet umherziehn und bettelnund vertrieben werden aus ihres Vaterhauses Trümmern!
11 Sein Gläubiger lege Beschlag auf alles, was er hat,und Fremde (= Nichtverwandte) müssen seine Habe plündern!
12 Er finde keinen, der ihm Schonung gewährt,und niemand habe Erbarmen mit seinen Waisen!
13 Sein Nachwuchs müsse der Ausrottung verfallen:schon im zweiten Gliede müsse ihr Name erlöschen!
14 Der Verschuldung seiner Väter werde beim HERRN gedacht,und die Sünde seiner Mutter bleibe ungetilgt!
15 Sie müssen beständig dem HERRN vor Augen stehn,und er tilge ihr Gedächtnis aus von der Erde (oder: im Lande),
16 dieweil er nicht daran dachte, Liebe zu üben,vielmehr den Elenden und Armen verfolgteund den hoffnungslos Verzagten, ihn vollends zu töten.
17 Er liebte den Fluch: so treffe er ihn!Er hatte am Segen keine Freude: so bleib’ er ihm fern!
18 Er zog den Fluch an wie sein Kleid:so dringe er ihm in den Leib wie Wasserund wie Öl in seine Gebeine;
19 er werde ihm wie der Mantel, in den er sich hüllt,wie der Gürtel, den er sich ständig umlegt!
20 Dies sei meiner Widersacher Lohn von seiten des HERRNund derer, die Böses gegen mich reden!
21 Du aber, HERR, mein Gott, tritt für mich ein um deines Namens willen!Weil deine Gnade köstlich ist, errette mich!
22 Denn elend bin ich und arm,und mein Herz ist verwundet in meiner Brust.
23 Wie ein Schatten, wenn er sich dehnt (oder: neigt; 102,12), so schwinde ich hin,bin vom Sturm verweht einer Heuschrecke gleich;
24 meine Knie wanken vom Fasten,mein Leib ist abgemagert, ohne Fett;
25 und ich – den Leuten bin ich zum Hohn geworden:sehen sie mich, so schütteln sie höhnend den Kopf.
26 Stehe mir bei, o HERR, mein Gott,hilf mir nach deiner Gnade!
27 Laß sie erkennen, daß dies deine Hand ist,daß du, HERR, selbst es so gefügt hast!
28 Sie mögen fluchen, du aber wollest segnen;erheben sie sich, so laß sie zuschanden werden,dein Knecht aber müsse sich freuen!
29 Laß meine Widersacher in Schmach sich kleidenund ihre Schande umtun wie einen Mantel!
30 Laut soll mein Mund dem HERRN Dank sagen,und inmitten vieler will ich ihn preisen;
31 denn er steht dem Armen zur Rechten,um ihn zu retten vor denen, die ihn schuldig sprechen.