1 Eine Betrachtung (?) Asafs. Dieser Psalm versetzt uns in eine Zeit, wo es mit Israel aus zu sein schien. Das kann aber unmöglich die Zeit Davids sein. Darum ist auch Asaf, ein Zeitgenosse Davids, nicht der Verfasser des 74. Psalms. Die Verbrennung des Tempels (V.7) könnte auf die Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar im Jahre 586 v.Chr. hindeuten. Doch andere Stellen des Psalms verbieten das. Namentlich die Erwähnung der Synagogen in V.8 steht der Annahme entgegen, an jenen Untergang Jerusalems zu denken. Denn Synagogen gab es im jüdischen Lande erst nach der babylonischen Gefangenschaft. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß unser Psalm während der schweren Verfolgungszeit entstanden ist, die die Juden unter dem syrischen König Antiochus Epiphanes durchzumachen hatten und die in den Makkabäerbüchern geschildert wird. Um jene Zeit (etwa 168 v.Chr.) konnten übrigens noch Mitglieder der Sängerfamilie Asafs am Leben sein, die noch in Esra 2,41 ausdrücklich erwähnt wird. So wäre doch vielleicht die Überschrift des 74. Psalms nicht ohne jede Berechtigung, wenn man den Namen "Asaf" allgemein von der Sängerfamilie Asafs verstehen darf. / Warum, Elohim, hast du uns für immer verworfen? / Warum raucht denn dein Zorn / Gegen die Schafe, die du weidest?
2 Gedenke doch deiner Gemeinde, die du vor alters erworben, / Die du dir erlöst zum Besitzesstamm! / Des Zionsberges gedenke, auf dem du wohnst!
3 Tritt heran zu den ewigen Trümmern! Komm doch eilig zu deiner in Trümmern liegenden Wohnstätte, deren Wiederaufbau hoffnungslos erscheint, damit sie durch deine Hilfe neu erstehe. / Der Feind hat alles zerstört im Heiligtum.
4 Deine Gegner haben gebrüllt an deiner Versammlungsstätte Im Tempel, wo sich das Volk zum Gottesdienst versammelte und wo Gott mit seinem Volk verkehrte.; / Sie stellten ihre Zeichen als Zeichen auf. Vgl. 1. Makk. 1,45-68. Hier ist wohl vor allem an das Bild des olympischen Zeus, den "Greuel der Verwüstung" (V.57), zu denken, der auf dem Brandopferaltar errichtet wurde und fortan geopfert werden sollte.
5 Es war, als schwängen Holzhauer die Äxte / Hoch in dem Dickicht des Waldes.
6 Und dann: auf sein Des Tempels. Schnitzwerk insgesamt / Hieben sie ein mit Beil und Barten. 1. Makk. 4,38.
7 Sie steckten dein Heiligtum in Brand Vgl. 2. Makk. 8,33.; / Deines Namens Wohnung entweihten sie / Und machten dem Boden sie gleich.
8 Sie dachten: "Wir wollen sie alle bezwingen." / Sie verbrannten alle Gottesstätten Alle Synagogen. im Lande.
9 Unsre Zeichen Gemeint sind hier wohl die von Gott eingesetzten Bundeszeichen: Beschneidung, Sabbat, Festtage, Beobachtung der Speisegesetze, was alles durch Antiochus Epiphanes verboten wurde. sehn wir nimmer; es ist kein Prophet mehr da, / Und niemand ist bei uns, der wüßte, / Wie lange dies Elend noch währen wird. Vgl. 1. Makk. 4,46; 9,27; 14,41.
10 Bis wann, Elohim, soll der Dränger noch höhnen? / Soll der Feind deinen Namen auf immer schmähn?
11 Warum ziehst du zurück deine Hand, deine Rechte? Warum hilfst du uns nicht durch deine Allmacht? / Zieh sie aus dem Busen - vertilge! Die Feinde.
12 Gott ist doch mein König von alters her, / Der Rettungstaten auf Erden vollbracht. Diese werden nun im folgenden in kurzen Worten in Erinnerung gebracht.
13 Du hast das Meer gespalten durch deine Macht Ein Hinweis auf den Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer., / Hast der Drachen Köpfe im Wasser zerschellt. Die Drachen oder Seeungeheuer sind ein Bild Ägyptens.
14 Leviatans Häupter hast du zerschmettert Der Leviatan, das Krokodil, bedeutet ebenfalls Ägypten, genauer das ägyptische Heer, das die Israeliten verfolgte und im Roten Meer umkam., / Du gabst sie zum Fraße den Wüstentieren. Gott hat die Häupter, die Führer des ägyptischen Heeres, nicht nur in den Fluten des Roten Meeres umkommen lassen, sondern auch ihre an das Ufer geworfenen Leichen (2. Mos. 14,30) den Wüstentieren zum Fraß gegeben. Manche Psalmenerklärer wollen in V.13 und 14 eine Anspielung auf den Kampf finden, den Gott bei der Erschaffung der Welt mit vorzeitlichen Ungetümen zu führen hatte und mit dem Israel durch babylonische Einflüsse bekannt geworden sein soll. Diese Meinung weise ich entschieden zurück.
15 Du ließest sprudeln Quelle und Bach Vgl. die Wasserspende aus dem Felsen (2. Mos. 17,1-7; 4. Mos. 20,8)., / Du ließest versiegen beständige Ströme. Gemeint sind die beständig und reichlich strömenden Wasser des Jordans, die Gott wunderbar austrocknen ließ (Jos. 3,14-17).
16 Dein ist der Tag, dein auch die Nacht. Ist hier vielleicht an die Wolken- und Feuersäule in 2. Mos. 13,21 zu denken? / Leuchte Den Mond. und Sonne hast du bereitet.
17 Du hast alle Grenzen der Erde gesetzt Nicht nur die Grenzen des Festlandes gegen das Meer hin (Hiob 38,8; Jer. 5,22), sondern auch die Grenzen des Binnenlandes und der einzelnen Völker (Apg. 17,26)., / Sommer und Winter hast du gebildet.
18 Gedenke Anrede an Gott.: der Feind hat Jahwe geschmäht, / Ein gottloses Volk Die heidnischen Syrer, die die Juden verfolgten. deinen Namen gehöhnt.
19 Gib nicht dem Tiere Der heidnischen Weltmacht. preis deiner Turteltaube Seele Die Turteltaube ist ein Bild Israels, das hilflos und schuldlos der Gewalt seiner Feinde preisgegeben ist., / Deiner Armen Leben vergiß nicht für immer! Die Armen und Elenden sind die treuen, an Gott festhaltenden Glieder des Bundesvolkes.
20 Schau auf den Bund! Gedenke des Bundes, den du mit Israel am Sinai geschlossen hast! / Denn des Landes Verstecke sind angefüllt Mit Flüchtlingen, die sich vor dem Feind verbergen wollen., / Und dort In den Verstecken. wird Gewalttat getrieben. Denn die Feinde spürten die Flüchtlinge auf und machten sie nieder (1. Makk. 2,31-38; 2. Makk. 6,11).
21 Nicht unerhört Wörtlich: "beschämt". laß Niedergeschlagene gehn, / Laß deinen Namen Arme und Dürftige preisen!
22 Auf, Elohim! Ficht aus deinen Streit! Der Kampf gegen die Feinde Israels ist ein Kampf Gottes, den er um seines Namens Ehre willen führt. / Gedenke des: die Gottlosen höhnen dich fort und fort!
23 Vergiß der Feinde Schmährufe nicht, / Deiner Gegner Toben, das stetig steigt!
1 Ein Lehrgedicht (vgl. 32,1) von Asaph (vgl. Ps 50).Warum hast du uns, o Gott, für immer verworfen,warum raucht dein Zorn gegen die Herde, die du weidest?
2 Gedenke deiner Gemeinde, die vor alters du erworben,die zum Eigentumsvolk du dir erlöst hast!(Gedenke) des Berges Zion, auf dem du Wohnung genommen!
3 Lenk deine Schritte hinauf zu den ewigen Trümmern:ach, alles hat der Feind im Heiligtum zerstört!
4 Wild brüllen deine Feinde im Innern deiner Versammlungsstätte;haben dort ihre Fahnen als Siegeszeichen aufgestellt.
5 Es sieht sich an, als ob man die Äxte hochgeschwungen hätte im Dickicht des Waldes.
6 Und jetzt zerschlagen sie auch sein Schnitzwerkallzumal mit Beilen und Hämmern.
7 Sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt,bis zum Boden entweiht die Wohnung deines Namens.
8 Sie haben sich vorgenommen: »Wir rotten sie allesamt aus!«und haben alle Gottesstätten (d.h. Synagogen) im Lande verbrannt.
9 Unsre (heiligen) Zeichen sehn wir nicht mehr, kein Prophet ist mehr da,und niemand weiß bei uns, wie lange das dauern soll.
10 Wie lange, o Gott, soll der Widersacher noch schmähen,der Feind deinen Namen immerfort lästern?
11 Warum doch ziehst du deine Hand zurück?O zieh deine Rechte hervor aus dem Busen, mach ein Ende!
12 Gott ist ja doch mein König von alters her,Rettungstaten vollführt er inmitten des Landes (oder: auf der ganzen Erde).
13 Du hast das Meer durch deine Kraft gespalten,die Häupter der Drachen auf den Fluten zerschellt.
14 Du hast Leviathans Köpfe zermalmt,zum Fraß ihn hingegeben dem Volke der Wüstentiere.
15 Du hast Quellen und Bäche hervorbrechen lassen,du hast nieversiegende Ströme trocken gelegt.
16 Dein ist der Tag, dein auch die Nacht,du hast den Mond und die Sonne hingestellt.
17 Du hast der Erde rings die Grenzen festgesetzt,Sommer und Winter, du hast sie gebildet.
18 Denke daran: der Feind hat dich, o HERR, gehöhnt,und ein gottloses Volk deinen Namen gelästert!
19 Gib nicht den Raubtieren preis die Seele deiner Taube,vergiß nicht für immer das Leben deiner Dulder!
20 Blick hin auf den Bund! Denn angefüllt sinddie Verstecke des Landes mit Stätten der Gewalttat.
21 Laß den Bedrängten nicht enttäuscht davongehn,der Arme und Bedrückte müsse deinen Namen rühmen!
22 Steh auf, Gott, verficht deine Sache!Gedenke der Schmach, die dich trifft von den Ruchlosen Tag für Tag!
23 Vergiß nicht das Geschrei (oder: laute Schmähen) deiner Feinde,das Toben deiner Gegner, das allzeit aufsteigt!