1 Dem Sangmeister. Ein Psalm Davids.
2 Voll Sehnsucht hab ich auf Jahwe geharrt: / Er neigte sich zu mir und hörte mein Schrein.
3 Er zog mich aus der verderblichen Grube, / Aus tiefem Schlamm / Und stellte meine Füße auf einen Fels Grube und Schlamm sind ein Bild der Gefahr, der Fels dagegen ist ein Bild der Sicherheit., / Machte meine Schritte sicher.
4 Er legte mir ein neues Lied in den Mund S. V.10., / Einen Lobgesang für unsern Gott. / Viele schauen's und schauern / Und trauen auf Jahwe. Viele, die sehen, wie Gott die Seinen rettet, werden dadurch zum Vertrauen auf ihn gebracht und sprechen dann die Worte in V.5.
5 "Heil dem, der sein Vertrauen auf Jahwe setzt / Und sich nicht wendet zu Stolzen und Lügenhaften!"
6 Viel hast getan, o Jahwe, mein Gott, / An Wundern und Plänen Heilsgedanken. zu unserm Heil / Dir ist nichts gleich! / Ich möchte sie Deine Wunder und Heilsgedanken. kundtun, davon reden, / Aber sie sind unzählbar. Gott ist in der Fülle seiner Wunder und Heilsgedanken unvergleichbar und unbegreiflich.
7 Schlachtopfer und Speisopfer willst du nicht, / Doch Ohren hast du mir gegraben. Du hast mir Ohren zum Hören gegeben und verlangst deshalb auch willigen Gehorsam, der besser ist als Opfer (1. Sam. 15,22). / Brandopfer und Sündopfer forderst du nicht.
8 Da sprach ich: "Sieh, ich komme / Mit der Rolle des Buchs, mir zur Weisung geschrieben. Weil Gott willigen Gehorsam fordert und nicht Opfer, darum kommt der Psalmist mit der heiligen Urkunde des göttlichen Willens, der Buchrolle des Gesetzes.
9 Deinen Willen zu tun, mein Gott, begehr ich, / In meinem Herzen ist dein Gesetz." Der Psalmist trägt das Gesetz nicht nur als Buchrolle in seiner Hand, sondern es ist eingeschrieben in sein Herz.
10 Die Freudenbotschaft deines Heils verkünd ich in großer Gemeinde. / Sieh, meine Lippen verschließ ich nicht: / Jahwe, du weißt es.
11 Deine Gerechtigkeit verberg ich nicht in meinem Herzen, / Von deiner Wahrhaftigkeit und Hilfe rede ich, / Deine Huld und Treue Vgl. 2. Mos. 34,6. verhehl ich nicht in der großen Gemeinde.
12 Du, Jahwe, wirst dein Erbarmen mir nicht entziehn, / Deine Huld und Treue werden mich allzeit schirmen.
13 Denn es umringen mich Leiden ohne Zahl, / Meine Sünden erfassen mich unübersehbar, / Zahlreicher als meines Hauptes Haar Ich muß die Folgen meiner Sünden, deren Zahl für mich unübersehbar ist, in den Leiden tragen, die über mich gekommen sind., / Und mein Mut entfällt mir.
14 Willige, Jahwe, mich zu retten, / Eile mir, Jahwe, zu Hilfe!
15 Beschämt und enttäuscht laß alle werden, / Die mir nach dem Leben trachten, es wegzuraffen! / Mit Schimpf laß alle entweichen, / Die da mein Unglück wollen!
16 Erstarren mögen ob ihrer Schande, / Die (schadenfroh) über mich rufen: "Ha, ha!"
17 Frohlocken laß aber und dein sich freun / Alle, die nach dir fragen. / Laß immerdar rufen: "Groß ist Jahwe!" / Alle, die dein Heil lieben!
18 Bin ich auch elend und arm: Es mag hier am Platze sein, einige Worte über die "Armen" und "Elenden" einzuschalten, die so oft in den Psalmen und auch anderswo im Alten Testament erwähnt werden. / "Arm" (hebräisch ebjôn) ist zunächst der Mittellose und Dürftige im Gegensatz zu dem Vermögenden und Reichen. Aber das Wort bezieht sich dann später auch auf das innere Leben. Das tritt erst ganz klar in der Bergpredigt Jesu hervor. Die "Armen im Geist", von denen er dort redet (Matth. 5,3), sind solche, die einen zerschlagenen Geist und ein zerbrochenes Herz haben (Jes. 57,15; 61,1; 66,2; Ps. 51,19), die in dem Bewußtsein ihrer geistlichen Leere, in der Überzeugung, daß sie in ihrem Geiste, d.h. in ihrem inneren Menschen arm sind an allem, was Gott gefallen könnte, und durchdrungen von dem Gefühl ihrer Unwürdigkeit und Sündenschuld als "Bettler" vor Gottes Angesicht dastehen; denn dies ist die eigentliche Bedeutung des griechischen Ausdrucks in der Bergpredigt (ptochoi to pneúmati). Arm im Geist waren der Zöllner im Gleichnis (Luk. 18,13) und der Apostel Paulus (1. Kor. 15,9; Eph. 3,8; 1. Tim. 1,15). - / "Elend" (hebräisch ani, das von dem Wort anâh "niedergedrückt oder gebeugt sein" herkommt), wird im Gesetz Moses der genannt, der keinen eigenen Grundbesitz hat (2. Mos. 22,34; 3. Mos. 19,10; 23,22; 5. Mos. 15,11). Da diese Elenden von den Reichen und Mächtigen in Israel oft bedrückt und vergewaltigt wurden, so nahmen sich die Propheten ihrer ganz besonders an (Amos 8,4-6; Jes. 3,14-15; 10,2; 14,32; 32,7; Hes. 22,29; Sach. 7,10). Aber das Wort "elend" (ani) gewann schon früh eine religiöse Bedeutung. In manchen Psalmstellen sind die "Elenden" ebenso wie die "Armen" zugleich die Frommen, die Gottesfürchtigen (z.B. Ps. 9,19; 10,2.9; 14,6; 22,25; 68,19). Die Elenden fühlen sich ohnmächtig und hilfsbedürftig, sie verlassen sich ganz auf Gottes Barmherzigkeit und bilden so einen Gegensatz zu den hochmütigen Gottlosen, die ihre Gewalt mißbrauchen (Ps. 25,16-22; 69,30; 70,6; 74,21). Die "Elenden" haben ebenso wie die "Armen" einen zerschlagenen Geist und ein zerbrochenes Herz (Ps. 34,19). - / Neben ani (elend) kommt dann noch das sinnverwandte Wort anav vor. Dieses Wort bezeichnet den, der sich ganz unter Gottes Willen beugt und der in Sanftmut alles über sich ergehen läßt, ohne in Zorn zu geraten. So sind die anavim die "Demütigen" und die stillen "Dulder" (Ps. 9,13; 10,12.17; 22,27; 25,9; 34,3; 37,11; 69,33; 147,6; 149,4); es sind dieselben, die der Herr in der Bergpredigt Matth. 5,4 selig preist. - / Die "Elenden" und "Armen" werden öfter in den Psalmen zusammen genannt (Ps. 40,18; 70,6; 86,1; 109,22). Sie sind der treue, gläubige Kern und Überrest in Israel. / Ps. 40 besteht aus zwei Teilen: aus Dank (V.2-11) und Bitte (V.13-18). Und zwar entwickelt sich aus dem Dank die Bitte. V.12 leitet von dem ersten Teil über zum zweiten. - / Nach Hebr. 10,5-10 stellt der in die Welt eintretende Christus sein ganzes irdisches Leben unter die Worte in V.7-9, die aber nach der griechischen Übersetzung der LXX angeführt werden. In dieser Übersetzung lauten sie: / V7 - Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gefordert; / Einen Leib aber hast du mir zubereitet. / Brandopfer und Sündopfer gefallen dir nicht. / V8 - Da sprach ich: Sieh, ich bin gekommen - / Im Buche ist von mir geschrieben -, / V9 - Um deinen Willen, Gott, zu tun." / Wenn es im hebräischen Wortlaut heißt: "Ohren hast du mir gegraben" und im griechischen: "Einen Leib hast du mir zubereitet", so kommt es in beiden Texten an auf den Gehorsam als das von Gott verlangte Opfer: mit den Ohren wird Gottes Wille vernommen, mit den Gliedern des Leibes wird er ausgeführt. Die Buchrolle ist im griechischen Text das ganze Alte Testament als das Buch der Weissagung von dem Messias. Statt äußere Opfer zu bringen, ist Christus bereit, durch das Opfer seines Leibes Gottes Willen zu tun. Dies wird dann in Hebr. 10,8-10 weiter ausgeführt. / Adonái sorget für mich. / Mein Beistand und Retter bist du. / Mein Gott, verzieh deine Hilfe nicht!