1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Fürwahr, ihr seid die Leute, und mit euch wird die Weisheit aussterben!
3 Auch ich habe Verstand wie ihr; ich stehe nicht hinter euch zurück; {Eig. ich falle nicht gegen euch ab; so auch Kap. 13,2} und wer wüßte nicht dergleichen?
4 Ich muß einer sein, der seinem Freunde zum Gespött ist, der zu Gott ruft, und er antwortet {O. rief... antwortete} ihm; der Gerechte, Vollkommene ist zum Gespött!
5 Dem Unglück gebührt Verachtung nach den Gedanken des Sorglosen; sie ist bereit für die, welche mit dem Fuße wanken.
6 Die Zelte der Verwüster sind in Ruhe, und Sicherheit ist für die, welche Gott {El} reizen, für den, welcher Gott in seiner Hand führt. {d.h. welcher nur auf seine Hand vertraut. Vergl. Hab. 1,11}
7 Aber frage doch das Vieh, und es wird's dich lehren; und das Gevögel des Himmels, und es wird's dir kundtun;
8 oder rede zu der Erde, und sie wird's dich lehren; und die Fische des Meeres werden es dir erzählen.
9 Wer erkennte nicht an diesen allen, daß die Hand Jehovas solches gemacht hat,
10 in dessen Hand die Seele alles Lebendigen ist und der Geist alles menschlichen Fleisches?
11 Soll nicht das Ohr die Worte prüfen, wie der Gaumen für sich die Speise kostet?
12 Bei Greisen ist Weisheit, und Einsicht bei hohem Alter.
13 Bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und Einsicht.
14 Siehe, er reißt nieder, und es wird nicht wieder gebaut; er schließt über jemand zu, und es wird nicht aufgetan.
15 Siehe, er hemmt die Wasser, und sie vertrocknen; und er läßt sie los, und sie kehren das Land um.
16 Bei ihm ist Kraft und vollkommenes Wissen; sein ist der Irrende und der Irreführende.
17 Er führt Räte beraubt {Eig. ausgezogen} hinweg, und Richter macht er zu Narren.
18 Die Herrschaft der Könige löst er auf, und schlingt eine Fessel {Eig. einen Gurt, ein Band} um ihre Lenden.
19 Er führt Priester beraubt { Eig. ausgezogen} hinweg, und Feststehende stürzt er um.
20 Zuverlässigen {d.h. solchen, auf deren Rat man sich verlassen kann} entzieht er die Sprache, und Alten benimmt er das Urteil.
21 Verachtung schüttet er auf Edle, und den Gürtel der Starken macht er schlaff.
22 Er enthüllt Tiefes aus der Finsternis, und Todesschatten zieht er an das Licht hervor.
23 Er vergrößert Nationen, und er vernichtet sie; er breitet Nationen aus, und er führt sie hinweg.
24 Er entzieht den Verstand den Häuptern der Völker der Erde, und macht sie umherirren in pfadloser Einöde;
25 sie tappen in der Finsternis, wo kein Licht ist, und er macht sie umherirren gleich einem Trunkenen.
1 Da antwortete Hiob folgendermaßen:
2 »Wahrhaftig, ihr seid das Volk (= vertretet die ganze Menschheit), und mit euch wird die Weisheit aussterben!
3 Ich besitze auch Verstand ebensogut wie ihr: ich stehe hinter euch nicht zurück; wem sollten auch derartige Dinge unbekannt sein?
4 Dem eigenen Freunde muß ich zum Spott dienen, ich, der ich vordem Gott angerufen und auch Erhörung gefunden habe! Zum Spott muß der Gerechte, der Fromme dienen!
5 Dem Unglück gebührt Verachtung nach der Ansicht des sich sicher Fühlenden: ein Stoß noch denen, deren Fuß bereits wankt!
6 In Ruhe liegen die Zelte von Gewalttätigen da, und in Sicherheit leben die, welche Gott Trotz bieten, ein jeder, der seinen Gott in seiner Faust führt.«
7 »Aber frage doch das Vieh, das wird dich’s lehren, und die Vögel des Himmels, die werden dir’s kundtun;
8 oder betrachte (den Wurm auf der) Erde, er wird dich’s lehren, und die Fische des Meeres werden dir’s bezeugen:
9 wer von diesen allen wüßte nicht, daß die Hand des HERRN diese Welt geschaffen hat,
10 er, in dessen Hand die Seele aller lebenden Geschöpfe liegt und der Odem eines jeden Menschenwesens?
11 Soll nicht das Ohr die Worte prüfen, gleichwie der Gaumen sich die Speisen kostend auswählt?
12 ›Bei den Greisen soll die Weisheit wohnen, und langes Leben Einsicht verleihen?‹
13 Nein, bei ihm (d.h. bei Gott) wohnt Weisheit und Stärke, sein ist der Rat und die Einsicht!«
14 »Siehe, wenn er niederreißt, so wird nicht wieder aufgebaut; wen er einkerkert, dem wird nicht wieder aufgetan.
15 Siehe, wenn er die Wasser hemmt, so versiegen sie, und wenn er sie entfesselt, so wühlen sie die Erde um.
16 Bei ihm ist Kraft und vollkommenes Wissen: ihm fällt der Irrende wie der Irreführende in die Hände.
17 Er läßt Ratsherren als Barfüßige (= ihres Amtsschmucks entkleidet) hinwegziehen und erweist Richter als Toren;
18 die Zwingherrschaft von Königen löst er auf und schlingt ihnen einen Strick um die eigenen Hüften;
19 Priester führt er als Barfüßige (= ihres Amtsschmucks entkleidet) hinweg und bringt die im Amt Ergrauten zu Fall;
20 erprobten Wortführern entzieht er die Rede und benimmt den Greisen (= alten Ratsherren) das gesunde Urteil;
21 über Edle gießt er Schande aus und löst den Schwertgurt von Gewalthabern;
22 Tiefverborgenes enthüllt er aus dem Dunkel heraus und zieht finstere Nacht ans Licht hervor;
23 er läßt Völker groß aufwachsen und vernichtet sie wieder; er breitet Völker weit aus und läßt sie dann verschleppen;
24 er raubt den Volkshäuptern des Landes den Verstand und läßt sie umherirren in pfadloser Einöde,
25 daß sie in lichtloser Finsternis tappen, und er läßt sie umherirren (oder: taumeln) wie Trunkene.«