1 "Zwangsarbeit ist dem Menschen auf Erden bestimmt, / wie ein Söldner muss er seine Tage verbringen.
2 Wie ein Sklave sich nach Schatten sehnt, / so wartet der Söldner auf seinen Sold.
3 So wurden mir Wochen ohne Ertrag beschert / und Nächte voller Mühsal zugeteilt.
4 Wenn ich liege, sage ich mir: / 'Wann stehe ich endlich wieder auf?' / Doch die Nacht zieht sich dahin, / und ich wälz mich herum, bis es dämmert.
5 Mein Leib ist gekleidet in Maden und Schorf, / meine Haut ist verschorft und eitert.
6 Wie ein Weberschiffchen fliegen meine Tage, / ganz ohne Hoffnung schwinden sie dahin.
7 Bedenke, dass mein Leben ein Hauch ist, / mein Auge nie mehr Gutes sehen wird.
8 Wer mich sehen will, / erblickt mich nicht mehr, / sucht mich dein Auge, / bin ich nicht da.
9 Die Wolke löst sich auf und verschwindet, / und wer zu den Toten fährt, steigt nicht wieder auf.
10 Er kehrt nicht mehr in sein Haus zurück, / und seine Stätte kennt ihn nicht mehr."
11 "So will auch ich meinen Mund nicht zügeln, / will reden in der Angst meines Geistes, / will klagen mit verbitterter Seele.
12 Bin ich ein Ungeheuer oder ein Meer, / dass du eine Wache gegen mich stellst?
13 Wenn ich sage: 'Mein Bett soll mich trösten, / mein Lager meine Klage ertragen',
14 so erschreckst du mich mit Träumen, / bringst mich durch Visionen in Angst,
15 so dass ich lieber ersticken wollte, / lieber den Tod, als meine Knochen hier seh.
16 Ich bin es satt! / Ich mag nicht ewig leben. / Lass mich! / Mein Leben ist doch nur ein Hauch.
17 Was ist der Mensch, / dass du ihn groß machst, / dass du Acht auf ihn hast,
18 dass du ihn jeden Morgen zur Rechenschaft ziehst, / dass du ihn jeden Augenblick prüfst?
19 Wann endlich blickst du von mir weg, / dass ich in Ruhe meinen Speichel schlucken kann?
20 Hab ich gesündigt? Was tat ich dir an, du Wächter der Menschen? / Warum hast du mich zu deiner Zielscheibe gemacht? / Warum werde ich mir selbst zur Last?
21 Und warum vergibst du mein Vergehen nicht / und erlässt mir meine Schuld? / So lege ich mich jetzt in den Erdenstaub, / und wenn du mich suchst, so bin ich nicht mehr."
1 Hat der Mensch nicht Kriegsdienst auf Erden, sind seine Tage nicht wie die eines Söldners?
2 Ein Knecht sehnt sich nach dem Schatten, und ein Söldner verlangt nach seinem Lohn;
3 mir aber wurden Monate voll Enttäuschung beschert und Nächte voller Qual zugezählt.
4 Wenn ich mich niederlege, so spreche ich: Wann werde ich aufstehen? Aber der Abend dehnt sich lang, und vom Umherwälzen werde ich gar satt bis zur Morgendämmerung.
5 Mein Leib ist bekleidet mit Würmern und einer Kruste von Erde, meine Haut zieht sich zusammen und eitert.
6 Meine Tage gleiten schneller dahin als ein Weberschifflein, sie schwinden hoffnungslos dahin.
7 Bedenke, daß mein Leben ein Hauch ist, daß mein Auge nichts Gutes mehr sehen wird;
8 das Auge, das mich schaut, wird mich nicht mehr sehen; wenn du nach mir siehst, so bin ich nicht mehr!
9 Wie die Wolke vergeht und verschwindet, so kommt, wer zum Totenreiche fährt, nicht mehr herauf;
10 er kehrt nicht mehr in sein Haus zurück, und seine Stätte kennt ihn nicht mehr.
11 Darum will auch ich meinen Mund nicht halten; ich will reden in der Angst meines Geistes, in der Betrübnis meiner Seele will ich klagen:
12 Bin ich denn ein Meer oder ein Ungeheuer, daß du eine Wache wider mich aufstellst?
13 Wenn ich denke: Mein Bett wird mich trösten, mein Lager wird meine Klage erleichtern!
14 so erschreckst du mich mit Träumen und ängstigst mich durch Gesichte,
15 so daß meine Seele Erwürgung vorzöge und ich lieber tot wäre, als ein Gerippe zu sein.
16 Es ist mir verleidet! Ich will nicht ewig leben; laß ab von mir; meine Tage sind ein Hauch!
17 Was ist der Mensch, daß du ihn so hochhältst und auf ihn achtest?
18 Du suchst ihn alle Morgen heim, und alle Augenblicke prüfst du ihn.
19 Warum schaust du nicht von mir weg und lässest mir nicht soviel Ruhe, daß ich meinen Speichel schlucke?
20 Habe ich gesündigt, was kann ich dir antun, du Menschenhüter? Warum hast du mich dir zur Zielscheibe gesetzt, daß ich mir selbst zur Bürde bin?
21 Warum vergibst du meine Übertretung nicht und erlässest mir nicht meine Schuld? Denn jetzt werde ich mich in den Staub legen, und wenn du mich morgen früh suchst, so bin ich nicht mehr!