1 Wehe dir, Gottesherd, Gottesherd (Hes 43,15-16), du Stadt, wo David einst sein Lager aufgeschlagen hat! Füget Jahr zu Jahr, laßt die Feste ihren Kreislauf vollziehen:
2 dennoch will ich den Gottesherd bedrängen, daß Stöhnen und Wehklagen entstehen soll: dann wird es (d.h. Jerusalem) mir ein richtiger Gottesherd sein.
3 Ja ich will ein Lager rings um dich aufschlagen und dich mit einer Wagenburg eng einschließen und Belagerungswerke gegen dich aufführen.
4 Dann wirst du, unten am Boden liegend, gedämpft reden und, in den Staub gesunken, eine bescheidene Sprache führen, deine Stimme wird wie die eines Totengeistes aus der Erde hervorkommen und deine Rede aus dem Staube heraus nur flüstern.
5 Aber die lärmende Menge deiner Feinde wird wie feiner Staub sein und wie zerstiebende Spreu die lärmende Menge der Gewalttätigen (oder: wilden Krieger). Doch dann wird es geschehen urplötzlich, in einem Augenblick:
6 da wirst du vom HERRN der Heerscharen heimgesucht werden unter Donner und Erdbeben und mächtigem Krachen, unter Sturmwind und Unwetter und Flammen verzehrenden Feuers.
7 Und gleich einem Traum, einem Nachtgesicht wird die lärmende Menge aller der Völker sein, die gegen den Gottesherd zu Felde ziehen, und alle, die ihn und seine Bollwerke bestürmen und ihn bedrängen.
8 Und es wird so sein, wie wenn ein Hungriger träumt, er esse, dann aber mit ungestilltem Verlangen erwacht; und wie wenn ein Durstiger träumt, er trinke, dann aber beim Erwachen sich noch vor Durst erschöpft fühlt und gierig lechzt: ebenso wird es der lärmenden Menge aller der Völker ergehen, die gegen den Berg Zion zu Felde ziehen.
9 Starret nur, so daß ihr erstarrt! Lebt in Verblendung, so daß ihr blind werdet! Sie sind trunken, aber nicht vom Wein, sie taumeln, aber nicht vom Rauschtrank.
10 Denn der HERR hat einen Geist tiefen Schlafes über euch ausgegossen und hat eure Augen, die Propheten, verschlossen und eure Häupter, die Seher, umschleiert.
11 So ist denn die gesamte Offenbarung für euch geworden wie der Inhalt eines versiegelten Buches, das man einem, der lesen kann, mit den Worten reicht: »Lies doch dies einmal!«, doch er entgegnet dann: »Ich kann nicht, es ist ja versiegelt!«
12 Reicht man aber das Buch einem, der sich nicht auf Geschriebenes versteht, mit den Worten: »Lies doch dies einmal!«, so entgegnet er: »Ich kann nicht lesen.«
13 Weiter hat der Allherr gesagt: »Weil dieses Volk sich mir immer nur mit seinem Munde naht und mich nur mit seinen Lippen ehrt, während es sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir nur in angelernten Menschengeboten besteht:
14 darum will ich fernerhin wunderlich mit diesem Volk verfahren, wunderlich und wundersam, so daß die Weisheit seiner Weisen zuschanden werden soll und von dem Verstande seiner Verständigen (oder: von der Klugheit seiner Klugen) nichts zu sehen ist.«
15 Wehe denen, die ihre Pläne vor dem HERRN tief geheim halten, damit ihr Tun im Finstern vor sich gehe, und die dabei denken: »Wer sieht uns, und wer kennt uns?«
16 O über eure Verkehrtheit! Ist etwa der Töpfer dem Ton gleichzuachten, so daß ein hergestelltes Werk von seinem Hersteller sagen könnte: »Er hat mich nicht geschaffen«, und ein Gebilde von seinem Bildner sagen dürfte: »Er versteht nichts«?
17 Dauert es nicht nur noch eine ganz kleine Weile, daß der Libanon sich zu einem Fruchtgarten umwandelt und der Fruchtgarten nur als Wald geachtet werden wird?
18 An jenem Tage werden die Tauben Worte der Schrift (= geschriebene Worte) vernehmen und die Augen der Blinden aus Dunkel und Finsternis heraus sehen;
19 und die Demütigen werden sich des HERRN aufs neue freuen und die Armen (oder: Geringen) unter den Menschen über den Heiligen Israels jubeln.
20 Denn die Gewalttätigen werden ein Ende genommen haben, und mit den Spöttern wird es aus sein, und alle, deren Gedanken auf Böses gerichtet sind, werden ausgerottet sein,
21 alle, die da Menschen in einer Rechtssache zur Sünde verleiteten und dem, der im Tor (= im Gericht) Recht spricht (oder: sein Recht erwies), Schlingen legten und den, der im Recht ist, auf nichtige Gründe hin ins Unrecht setzten.
22 Darum hat der HERR, der einst Abraham erlöst hat (vgl. Jos 24,1-3), so zum Hause (oder: in bezug auf das Haus) Jakobs gesprochen: »Nunmehr soll Jakob nicht mehr enttäuscht werden, und nunmehr soll sein Angesicht nicht mehr erblassen;
23 sondern wenn er [d.h. seine Kinder] das Werk (oder: Wirken) meiner Hände in seiner Mitte sieht, so werden sie meinen Namen heiligen und den Heiligen Jakobs als heilig anerkennen und vor dem Gott Israels Ehrfurcht haben;
24 und solche, die jetzt verkehrten Sinnes sind, werden Einsicht gewinnen, und die Murrenden werden Belehrung annehmen.«
1 Wehe Ariel, Ariel, du Stadt, wo David lagerte! Fügt Jahr zu Jahr, Feste mögen sich reihen im Kreis!
2 Ja, ich bedränge Ariel, Stöhnen und Gestöhne wird herrschen, und es wird mir sein wie ein Gottesherd.
3 Ich lagere mich im Kreis wider dich, ich enge dich ein mit Schanzen, errichte Wälle gegen dich.
4 Tief von der Erde her wirst du sprechen; aus dem Staub ertönt dumpf deine Rede. Dein Ruf steigt aus der Erde empor gleich dem eines Totengeistes; deine Rede flüstert vom Staube her.
5 Doch es wird der Schwarm deiner Dränger wie feiner Staub, die Schar der Tyrannen wie verfliegende Spreu. Plötzlich geschieht es im Nu:
6 Da wird vom Herrn der Heere Abrechnung gehalten mit Donnern und Dröhnen und gewaltigem Schall, mit Sturm und Wetter und verzehrender Feuerflamme.
7 Gleichwie im Traum, wie im Nachtgesicht, wird es dem Schwarm aller Völker ergehen, die wider Ariel kämpfen, allen, die es samt seiner Festung belagern und die es bedrängen.
8 Ja, es wird sein, wie wenn der Hungernde träumt, daß er esse - doch beim Erwachen ist leer seine Kehle, und wie wenn der Dürstende träumt, er trinke - doch beim Erwachen ist er matt, und ausgetrocknet ist seine Kehle. So ergeht es dem Schwarm aller Völker, die wider den Sionsberg streiten!
9 Starrt euch gegenseitig an und erstarret, verblendet euch und werdet blind! Berauscht euch, doch nicht vom Wein, torkelt nur, doch nicht vom Rauschtrank!
10 Denn ausgegossen hat über euch der Herr einen Geist der Betäubung, eure Augen (die Propheten) verschloß er, eure Häupter (die Seher) hat er verhüllt.
11 Jegliche Weissagung wurde für euch wie die Worte einer versiegelten Rolle: Reicht man diese einem Schriftkundigen hin mit den Worten: "Lies dies doch", so entgegnet er: "Ich kann nicht, weil es versiegelt ist."
12 Überreicht man aber die Schriftrolle einem, der schriftunkundig ist, und fordert ihn auf: "Lies das doch", dann entgegnet er: "Ich kann nicht lesen."
13 Der Herr sprach: "Weil dies Volk da mit seinem Munde sich naht und mit seinen Lippen mir Ehre erweist, während sein Herz von mir fern ist und so ihre Furcht vor mir nur angelerntes Menschengebot ist,
14 siehe, darum werde ich auch fürderhin wunderlich handeln an diesem Volk, ja äußerst verwunderlich. Da wird vergehen seiner Weisen Weisheit, sich verbergen seiner Klugen Klugheit."
15 Weh über jene, die tief sich verstecken, um vor dem Herrn ihre Absicht zu verbergen, so daß ihr Tun sich im Finstern vollzieht! Sie denken dabei: "Wer sieht uns, und wer weiß von uns?"
16 O eure Verkehrtheit! Ist etwa der Töpfer dem Ton gleichzustellen, so daß das Werk von seinem Meister spräche: "Er schuf mich nicht", oder der Topf von seinem Töpfer: "Er versteht nichts"?
17 Es dauert nur noch eine kurze Weile, da wandelt sich zum Fruchtgarten der Libanon, und der Fruchtgarten gilt als Wald.
18 Es hören alsdann die Tauben Worte der Schrift; aus Dunkel und Düster schauen die Augen der Blinden.
19 Die Elenden haben aufs neue Freude im Herrn, die Ärmsten der Menschen jubeln über den Heiligen Israels.
20 Gewaltmenschen gibt es nicht mehr, dahin sind die frechen Spötter, ausgerottet, die auf Bosheit bedacht sind,
21 die im Rechtsstreit Leute zur Sünde verführten, dem Richter Schlingen legten im Tor, den Schuldlosen durch Scheingründe verdrängten.
22 Darum spricht der Herr, der Abraham erlöste, zu Jakobs Haus: "Jakob wird jetzt nicht mehr beschämt, nicht mehr soll sein Antlitz erblassen!
23 Dann sehen seine Kinder das Werk meiner Hände in ihrer Mitte, dann heiligen sie meinen Namen; sie halten heilig den Heiligen Jakobs und fürchten den Gott Israels.
24 Die verirrten Geister kommen zur Einsicht, die Murrenden nehmen Belehrung an."